Karlsruhe. Der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner liebt die Provokation. Durfte ihn der Rechtsausschuss deshalb als Vorsitzenden loswerden? Das Bundesverfassungsgericht meldet gewichtige Fragen an.

Die Abwahl des AfD-Abgeordneten Stephan Brandner vom Vorsitz des Rechtsausschusses ist ein einmaliger Vorgang in der Geschichte des Bundestags - und wirft auch für das Bundesverfassungsgericht Fragen auf. Es bedürfe genauerer Prüfung, ob die Fraktion in ihren Rechten beeinträchtigt sei, teilte das Gericht am Freitag mit. Einen Eilantrag lehnten die Richter aber ab. Damit wollte die Bundestags-AfD erreichen, dass Brandner seine Aufgaben mit sofortiger Wirkung wieder wahrnehmen darf. (Az. 2 BvE 1/20)

Die Abgeordneten der anderen Parteien im Ausschuss hatten Brandner für nicht mehr tragbar gehalten und ihn mit ihrer Mehrheit abgesetzt - ein einmaliger Vorgang in der Geschichte des Bundestags.

Stefan Brandners „Judaslohn“-Tweet.
Stefan Brandners „Judaslohn“-Tweet. © https://twitter.com/StBrandner (Screenshot)

Grund dafür waren mehrere Eklats, die der Rechtsanwalt aus Thüringen ausgelöst hatte. Die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an den AfD-kritischen Rocksänger Udo Lindenberg auf Twitter hatte er mit der Bemerkung "Judaslohn" kommentiert. Auch mit seinen Reaktionen auf den antisemitisch motivierten Terroranschlag von Halle mit zwei Toten und mehreren Verletzten löste er Empörung aus.

Brandner selbst hatte einen Rücktritt ausgeschlossen. Seit seiner Absetzung wird der Ausschuss von dessen stellvertretendem Vorsitzenden Heribert Hirte (CDU) geleitet. Die AfD hat bisher keinen neuen Kandidaten aus ihren Reihen bestimmt.

Das war für die Verfassungsrichter mit ein Grund für die Ablehnung des Eilantrags. Die AfD habe es selbst in der Hand, ihre Beeinträchtigung durch die Benennung eines anderen Kandidaten zu verringern, teilte das Gericht mit. Damit sei sie an der Erfüllung ihrer Oppositionsaufgaben nicht vollständig gehindert.

Im Eilverfahren prüfen die Richter den Sachverhalt noch nicht vertieft. Vereinfacht gesagt geht es darum, ob dem Kläger bis zur eigentlichen Entscheidung nicht wiedergutzumachende Nachteile entstehen. Für diese Folgenabwägung gelten besonders strenge Maßstäbe, wenn sich der Eilantrag gegen andere Verfassungsorgane richtet - in diesem Fall den Bundestag und den Rechtsausschuss.

Dabei sehen die Richter auch die Arbeitsfähigkeit des Ausschusses gefährdet, und das wiegt für sie im Moment schwerer. Brandner besitze offensichtlich nicht mehr das Vertrauen der Mehrheit.

Erst im Hauptsacheverfahren werden die Richter feststellen, ob die Abwahl Brandners verfassungswidrig war oder nicht. Der Beschluss des Ausschusses wäre davon zwar nicht berührt. Die anderen Fraktionen wären aber verpflichtet, Brandner wieder den Vorsitz zu ermöglichen.

In ihrer Eilentscheidung verweisen die Richter bereits auf den Grundsatz der Gleichbehandlung der Fraktionen. Brandner werde ein Posten verweigert, der der AfD-Fraktion nach der Geschäftsordnung zustehe. Eine effektive Opposition dürfe außerdem nicht auf das Wohlwollen der Parlamentsmehrheit angewiesen sein.

"Die Frage, ob eine Beeinträchtigung der vorgenannten Rechtspositionen vorliegend überhaupt und, wenn ja, unter welchen Voraussetzungen verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden könnte, ist nicht ohne Weiteres zu beantworten", heißt es in dem Beschluss.

Die Unionsfraktion sieht sich in ihrer Auffassung bestätigt, "dass Herr Brandner nicht in der Lage ist, das Amt des Ausschussvorsitzenden seriös und fachlich fundiert auszuüben". Jetzt liege es bei der AfD, einen neuen Vorsitzenden vorzuschlagen, sagte Parlamentsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU).

Brandner, der am Freitag 54 Jahre alt wurde, schrieb auf seiner Facebook-Seite:

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Für ihn sei wichtig, dass sich das Gericht in dieser Frage überhaupt für zuständig erklärt habe. Sein Fraktionskollege Roman Reusch erklärte, die AfD rechne mindestens mit einem Teilerfolg in der Hauptsache.

Dass viele Abgeordnete anderer Fraktionen die Augen verdrehen, wenn Brandner im Plenum ans Rednerpult tritt, macht ihm nichts aus. Es wirkt fast so, als wolle er sich die vielen Ordnungsrufe, die er für seine Provokationen kassiert, wie Orden ans Revers hängen. Am 6. März wies ihn Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) gleich dreimal zurecht - weil er erst die korrekte Anrede des Sitzungsleiters verweigerte und dann die Abgeordneten der Linksfraktion als "Nationalsozialisten auf der linken Seite" bezeichnete.

Brandner pflegt zwar gute Kontakte zum rechtsnationalen Parteiflügel der AfD. Zu den Führungspersönlichkeiten dieser Strömung zählt der Partei-Vize aber nicht. Er macht lieber sein eigenes Ding. Zum Beispiel in seinem Youtube-Kanal oder bei gemeinsamen Aufzeichnungen mit Fraktionskollegin Corinna Miazga, wo sich die beiden politisch die Bälle und gelegentlich auch zotige Witze zuwerfen.

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