Erfurt. Die angeklagten Beamte müssen zwei Jahre und drei Monate hinter Gitter. Der Vorwurf der Vergewaltigung wurde fallengelassen. Das Verfahren ist wohl nicht beendet.

Zwei Thüringer Polizisten müssen wegen sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung einer Amtsstellung sowie wegen Vorteilsannahme jeweils zwei Jahre und drei Monate hinter Gitter. Der Anklagevorwurf der gemeinschaftlich begangenen Vergewaltigung ist von der 2. Strafkammer am Landgerichtsgericht Erfurt dagegen fallen gelassen worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Das Tatbild sei „dermaßen erschreckend, zutiefst verstörend und geeignet, das Vertrauen in die Integrität der Polizei zu beeinflussen“, wird der Vorsitzende Richter, Detlef Hampel, in seiner Urteilsbegründung deutlich. Gerade aufgrund dieser Überlegungen sah sich das Gericht nicht imstande, die Strafe als Bewährungsstrafe auszusetzen.

Verteidigung und Ankläger kündigten Revision an

Mit versteinerter Miene nahmen die beiden 23 und 28 Jahre alten Angeklagten das Urteil zur Kenntnis. Ihre Verteidiger hatten Freispruch gefordert. Die Staatsanwaltschaft plädierte wegen sexuellen Missbrauchs auf Bewährungsstrafen von jeweils zwei Jahren. Sollte das Urteil Rechtskraft erlangen, sind die suspendierten Beamten aus dem Polizeidienst zu entlassen.

Verteidigung und Ankläger kündigten Revision an. Beide Seiten kritisieren, dass die Hauptbelastungszeugin im Prozess nicht gehört werden konnte. Es hätte ein Vorführungshaftbefehl gegen die Hauptbelastungszeugin erlassen werden müssen, kritisiert im Anschluss ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Erfurt das Vorgehen des Gerichts. So fehlte die Möglichkeit, den Tatvorwurf der Vergewaltigung aufzuklären. Der Aufenthaltsort der 33-jährigen Frau mit polnischer Staatsbürgerschaft ist trotz einer Zielfahndung bisher unbekannt.

32-Jährige habe sich in einer „prekären Situation“ befunden

Die Verteidigung zeigt sich überrascht vom harten Urteil. Auch die Anwälte der Angeklagten kritisieren die fehlende Möglichkeit der Befragung der Frau, die ihre Mandanten angezeigt hatte. Aus Sicht der Verteidiger ist der Vergewaltigungsvorwurf erfunden. Die Angeklagten hatten diesen immer bestritten und stattdessen einvernehmlichen Sex mit der damals 32-Jährigen eingeräumt.

Laut Richter Hampel ergab die Beweisaufnahme keinen „Einsatz von Gewalt gegen den Willen der Frau“ und damit auch keine Vergewaltigung. „Daher gehen wir davon aus, dass die Initiative von der Nebenklägerin in einer Notsituation ausging“, so der Vorsitzende Richter. Die damals 32-Jährige habe sich an besagtem 28. September 2019 in einer „prekären Situation“ befunden: Sie sei von den Beamten in Arnstadt mit gefälschten Papieren angetroffen worden. Sie wusste, dass sie in Polen und Deutschland bereits gesucht wird. Die Nebenklägerin habe „sich angeboten“, aus einer Zwangssituation heraus. „Sie hatte Angst in Haft zu gehen“, so das Gericht. Das von den Angeklagten geschilderte Geschehen, dass die Initiative von der Nebenklägerin ausging, sei nicht so „fernliegend“.

Richter schließen Tatbestandsirrtum aus

Allerdings kommt das Gericht zu einer anderen Bewertung: Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung einer Amtsstellung, weil sich die Frau während des Geschlechtsverkehrs in ihrer Wohnung in einer polizeilichen Maßnahme befunden habe. Die Angeklagten hätten diese Situation ausgenutzt.

Fest steht, dass die Männer während ihres Einsatzes Sex mit einer Frau hatten, die eine Verdächtige gewesen ist. Statt das zu unterbinden, hat der dienstältere Beamte zum Handy gegriffen, als er hinzukam – und ein Video gedreht. Danach beteiligte auch er sich an den sexuellen Handlungen, räumte er vor Gericht ein.

Die Richter schließen einen sogenannten Tatbestandsirrtum aus. Die Angeklagten seien Polizisten, die um die Rechtslage wussten.

Protest vor Urteilsverkündung

Während der Urteilsverkündung protestierten mehrere Dutzend Demonstranten vor dem Gerichtsgebäude auf dem Erfurter Domplatz unter dem Motto: „Das darf’s noch nicht gewesen sein! Gegen jede Form von Gewalt durch Polizei und Justiz“.

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