Erfurt. Vor 18 Jahren durfte Thüringen schon einmal eine Einheitsfeier ausrichten. Eine Panne wie damals darf der Polizei in diesem Jahr nicht unterlaufen.

Wenn Thüringen am 3. Oktober 2022 stellvertretend für die Bundesrepublik den Tag der deutschen Einheit ausrichten wird, ist im Hintergrund ein riesiges Polizeiaufgebot im Einsatz, damit alles friedlich verläuft. Die bundesdeutsche Politprominenz wird genauso in Erfurt erwartet, wie Demonstranten, die sich bei Politikerinnen und Politikern Gehör verschaffen wollen.

Das Areal zwischen Dom und Theater in der Landeshauptstadt wird deshalb an diesem Tag für den ökumenischen Gottesdienst und den anschließenden Festakt besonders gut bewacht werden.

Einheitsfeier in Erfurt: Programm, Fakten, Sperrungen - Die wichtigsten Infos zum Fest

Die Thüringer Behörden haben einiges gutzumachen. Unvergessen ist die hochnotpeinliche Sicherheitsschlappe vor 18 Jahren, als der Freistaat erstmals die zentralen Einheitsfeier ausrichten durfte. Denn am Vormittag des 3. Oktober 2004 – der ökumenische Festgottesdienst im voll besetzten Mariendom hatte gerade begonnen – stürmte ein Mann aus dem Altar, schrie Bibelzitate und warf Papierschnipsel in die Luft.

Der Kirchenstörer kann sogar den Namen des Polizeihundes

Der aufsehenerregende Fall nahm seinen Lauf, als der Störer auf die im Kirchenschiff versammelte deutsche Staatsführung zurannte, ehe Sicherheitskräfte ihn greifen und abführen konnten. Die Predigt von Christoph Kähler, damals Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen, wurde unsanft unterbrochen. Hunderttausende erlebten die Schrecksekunden live im Fernsehen und sofort machte das Ereignis die Runde.

Wie konnte es dem Mann gelingen, sich vor dem Gottesdienst hinter dem Altar zu verkriechen? Immerhin befand sich der Dom damals im gut bewachten Sicherheitsbereich. Das jedenfalls dachten die Verantwortlichen bei der Polizei. Kommunikations- und Abstimmungspannen offenbart später die Aufklärung der Abläufe. Deshalb kümmerte sich in der Nacht vor dem Gottesdienst nur ein privater Wachdienst und nicht die Polizei um die Sicherheit im Dom.

Ein Gutachten besagt, dass in dieser Nacht gleich zweimal Alarm ausgelöst wurde. Der damals 29-jährige Berliner hatte beim Klettern auf seine Warteposition hinterm Altar die Warnmelder aktiviert. Zuvor war den Sicherheitsbehörden entgangen, dass sich der Mann nach dem Ende der Öffnungszeit im Innenraum des Gotteshauses versteckt hatte.

Täter kannte Namen des Polizei-Spürhundes

Richtig peinlich wurde dieser Fakt im Februar 2005 vor dem Amtsgericht Erfurt. Denn Christoph A. kannte sogar den Namen eines Polizeihundes, mit dem Beamte den Dom abgesucht hatten. In seinem Versteck will er gehört haben, wie dem Hund Anweisungen gegeben wurden.

Das Landeskriminalamt und die Erfurter Polizei schoben sich damals gegenseitig die Schuld für das Versagen zu. Bei den Erfurter Beamten lag unbestritten die Einsatzleitung. Sie sahen sich aber nicht für den Personenschutz zuständig. Der Wachdienst wiederum tat den Alarm als Fehlmeldung ab, weil bei einer Nachkontrolle alle Dom-Türen verschlossen waren. Davon erfuhr die Polizei in dieser Nacht aber nichts und ein bekannter Kirchenstörer hatte am darauffolgenden Tag erneut einen großen Auftritt. Denn bereits zwei Monate vor seiner Erfurter Aktion sabotierte der Mann einen Fernsehgottesdienst in Mainz.

Neun Monate Haft ohne Bewährung lautete das Urteil

Im April 2006 wurde der Kirchenstörer in zweiter Instanz wegen Hausfriedensbruchs und Störung der Religionsausübung zu neun Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt. Es sei nicht nur eine Sicherheitspanne gewesen, sondern vor allem ein Angriff auf die Religionsfreiheit derer, die sich im Dom zu einem ökumenischen Gottesdienst versammelt hatten, hieß es damals in der mündlichen Urteilsbegründung des Landgerichts Erfurt. Gläubige, die sich zum Gottesdienst versammeln, hätten das Recht, diesen ungestört zu feiern.

Auch die Thüringer Polizei reagierte auf ihre Sicherheitspanne. Zuständigkeiten und Absprachen wurden neun organisiert. Trotzdem traute im September 2011, beim Besuch von Papstes Benedikt XVI. in Erfurt und dem Eichsfeld, die katholische Kirche den Thüringern in Sachen Sicherheit offenbar nicht vollends, denn der Heilige Vater musste seine Termine im Freistaat in einem Papamobil mit fest geschossenen kugelsicheren Scheiben absolvieren. Im baden-württembergischen Freiburg dagegen wurde er anschließend mit geöffneten Autofenstern an der jubelnden Menschenmenge vorbeigefahren.

Den Thüringern war beim Papstbesuch erneut eine Sicherheitspanne unterlaufen. Der vertrauliche Einsatzbefehl der Polizei gelangte damals in die Hände der Medien und damit unter anderem auch Codewörter, die beispielsweise Zivilbeamte nutzen sollten, um ungehindert Polizeiabsperrungen passieren zu können. Teile des Konzepts mussten zur Sicherheit neu erarbeitet werden.

Die Herausforderungen zur zentralen Einheitsfeier am 3. Oktober in diesem Jahr dürften um einiges größer sein als 2004. Die Vorbereitungen bei den Sicherheitsbehörden laufen bereits seit Monaten.

Straßenbahn statt Auto: Bürgerfest stellt Erfurt vor Verkehrsherausforderung

Kameras, Gitter, Notlicht: Mit Sicherheit in Erfurt die Einheit feiern