Live-Platten sind immer ein Wagnis: Schafft man es, den Moment einzufangen? Christian Werner über das Album „Sam Cooke at the Copa“.

Man muss sich zu helfen wissen: Wenn man Konzerte wegen der aktuellen Virus-Situation nicht besuchen kann, nicht besuchen darf, holt man sich die Veranstaltung eben ins Haus. Als Stream, auf Blu-Ray oder man aktiviert das Kopfkino ausschließlich per akustischen Reiz: einem Live-Album. Derer gibt es viele, bessere wie schlechtere, gewiss. Doch Beliebigkeit ist nicht das Motto dieser Kolumne.

Wir entscheiden uns heute für einen Klassiker, einen in der Pop-Historie relativ früh verorteten: „Sam Cooke at the Copa“. Der Soul-Musiker trat 1964 im „Copacabana“ auf, einem Club in New York. Der Ort, der eigentlich von der weißen Oberschicht frequentiert wurde, verlangte Cooke eine andere Seite ab, die er aber scheinbar mühelos bediente: den des coolen Crooners.

Gitarre, Bass und Schlagzeug bestimmen den Sound

Der Auftritt hat wenig von der brodelnden Glut, die üblich seine Konzerte (und deren Mitschnitte, den woher sollten wir Spätgeborenen es sonst wissen) musikalisch, als auch von der Stimmung im Publikum auszeichneten. Hier wird für Cookes Verhältnisse relativ entspannt, aber weiter auf gewohnt hohem Niveau musiziert.

Das Cover von „Sam Cooke at the Copa“.
Das Cover von „Sam Cooke at the Copa“. © Universal

Es gibt natürlich eine Bläser-Sektion, die aber mehr für gezielte Farbtupfer in der Songauswahl sorgt. Gitarre, Bass und Schlagzeug bestimmen den Big-Band-Sound, ein imaginäres Fingerschnippen zum Takt liegt ständig in der Luft und über allem schwebt die heiser-samtene Stimme Cookes. Und er war wahrlich gut bei Stimme an den beiden Juli-Abenden, von denen die Aufzeichnung stammt.

Hits aus der eigenen Feder vermeidet er bis auf wenige Ausnahmen. Dafür bedient er Evergreens anderer: „The best Things in Life are free“, „Nobody knows you when you’re down and out“ oder „When I fall in Love“. Pete Seegers „If I had a Hammer“, eigentlich ein beschwingter Schunkler, wird hier zur Entspannungshymne par excellence und schafft es trotzdem, ein paar Muskeln spielen zu lassen.

Thematisch brandaktuell – Stichwort Bürgerrechtsbewegung – coverte Sam Cooke auch Dylans „Blowin in the Wind“. Den Song gibt es auf dem Album in einer flotten Mischung aus Swing und Soul, er inspirierte Cooke außerdem zu seinem „A Change is gonna come“.

Das Album erschien im Oktober desselben Jahres. Nur zwei Monate später wurde Cooke in einem Motel von der Managerin der Einrichtung niedergeschossen. Die genauen Umstände wurden nie aufgeklärt.

Reinhören!

Wir haben die Playlist zum Krisen-Modus. Hören Sie unsere Auswahl an Songs für die Heimarbeit, zur Kurzweil oder für andere Ablenkungen in Selbstquarantäne. Die Titel werden mit jeder neuen Folge unserer Kolumne erweitert. Und hier erfahren Sie, warum die Songs ausgewählt wurden.

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