Wenn es mit der Karriere nicht klappt, aber die Musik trotzdem bleibt. Christian Werner über das Album „A Session with The Remains“.

Verhinderte Musikerkarrieren gibt es vermutlich wie Sandkörner am Strand von Malibu. Genau, California surfin‘. Aber die Welle des Erfolgs spült nur einen Bruchteil nach oben. Ebenfalls unterm Radar der Öffentlichkeit sind oft Musiker, die kurz nach dem Start künstlerisch implodierten.

The Remains aus Boston sind so ein Fall. Die Band war kurz vor dem großen Sprung, sie traten schon im TV bei Ed Sullivan vor Millionen auf. Und dann das: Im August 1966 durften sie für die Beatles deren USA-Tour eröffnen. Was damals keiner wusste: Es war die letzte Tournee der Liverpooler – und einer der letzten Schritte der Remains im großen Rampenlicht. Noch bevor ihr erstes Album erschien, gab es die Gruppe nicht mehr. Der Funke des Erfolgs sprang nicht über, verglüht im Sternenschweif der Fab Four.

Gefühl und Handwerk auf hohem Niveau

Einen guten Überblick über die verpasste Chance, über die verschenkten Talente gibt der erst Mitte der Neunziger-Jahre veröffentlichte Mitschnitt einer Session vom Mai 1966. Es ist ein Zeitdokument über eine Gruppe, die sich im Zustand befand zwischen staunendem Aufschauen zu Vorbildern und dem Entdecken der eigenen musikalischen Sprache.

Das Cover des Albums „A Session with the Remains“.
Das Cover des Albums „A Session with the Remains“. © Sundazed (Bear Family Records)

„A Session with The Remains“ zeigt, mit welch’ ungestümer Energie, aber auch Gefühl die Vier ihr Handwerk beherrschten. Das Wort und das Konzept Punk war noch nicht geboren und es trifft nur im Ansatz: Garagenrock – auf hohem Niveau – ist passender. The Remains spielen eine Mischung aus eigenen Stücken („Why do I cry“) und Cover-Versionen. „Hang on Sloopy“ – im Original von The McCoys – glänzt mit Speed-Intermezzos und trotziger Attitüde. Der Kinks-Klassiker „All Day and all of the Night“ steht dem Original nicht nach und glänzt mit Liveatmosphäre.

„Like a rolling Stone“ ist vergleichsweise handzahm, mit fast vier Minuten deutlich kürzer als das Original, ansonsten aber nah an eben diesem. Die emotionale Tiefe der Darbietung kann es mit der von Dylan durchaus aufnehmen. Und so einen Satz schreibt man nicht einfach so dahin.

Das Jahr 1966 war bei den Remains also von Höhen und Tiefen geprägt. Kurz vor der dreiwöchigen Tour mit den Beatles stieg der Schlagzeuger aus, hastig musste ein Ersatz her. Danach war es wohl nicht mehr wie vorher. Die Gruppe zerbrach. Das Debüt „The Remains“ wurde posthum veröffentlicht, immerhin entwickelte sich ein kleiner Kult um die Band. Ab den 90-Jahren gab es wieder kleinere Auftritte und eine weitere Platte.

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Wir haben die Playlist zum Krisen-Modus. Hören Sie unsere Auswahl an Songs für die Heimarbeit, zur Kurzweil oder für andere Ablenkungen in Selbstquarantäne. Die Titel werden mit jeder neuen Folge unserer Kolumne erweitert. Und hier erfahren Sie, warum die Songs ausgewählt wurden.

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