Die Lippen gespitzt und die Geige angelegt: Christian Werner über das Album „My finest Work yet“ von Andrew Bird.

Das Pfeifen hat in der Popmusik keinen besonders guten Ruf. Das liegt nicht zuletzt an einer der berühmtesten Triller-Hymnen: „Wind of Change“ von den Scorpions. Die hat, wie so viele Charthits vor und nach ihr, das traurige Schicksal der Wir-spielen-dich-bis-es-keiner-mehr-hören-kann-Formel erlitten.

Doch aufgehorcht! Es gibt Nischen und Experten, die die spitzmündige Kulturtechnik leise, aber konstant rehabilitieren. Ein wahrer Meister des Liedgutes mit gepfiffenen Anteilen ist Andrew Bird. Und das ist ohne Ironie gemeint, ohne Augenzwinkern und ohne Bezug zu nehmen auf Loriotsche Kunstpfeifereien. Hinzu kommt, dass Bird als Songschreiber und als Instrumentalist ein mehr als formidabler Musiker ist.

Live im Studio aufgenommen

Vor einem Jahr erschien sein jüngstes Solo-Album – das inzwischen zwölfte – mit dem Titel „My finest Work yet“ (Meine beste Arbeit bis jetzt). Musiker behaupten das ja mit wiederkehrender Vehemenz von ihrem jeweils neuesten Werk: Besser geht es nun wirklich nicht. Birds Selbstreflexion des eigenen Oeuvres aber folgt ohne übertriebene Eitelkeit und Egozentrik einer schlichten Wahrheit: Der Mann hat Recht!

Das Cover des Albums „My finest Work yet“ von Andrew Bird.
Das Cover des Albums „My finest Work yet“ von Andrew Bird. © Concord/Universal

Nebenher zeigt er, dass handwerkliches Können, Selbstdisziplin und spielerische Leichtigkeit sich nicht ausschließen. Die zehn Stücke wurden live im berühmten Barefoot-Recording-Studio in Südkalifornien eingespielt, alle Instrumente und Stimmen möglichst zusammen, statt wie üblich getrennt, und fast ohne Nachbearbeitung.

Man könnte es auch so formulieren: Ohne Netz und doppelten Boden haben Bird und seine Musikerfreunde eine eigene Art von abgespecktem Big-Band-Sound zwischen Folk, Indie-Pop und Jazz geschaffen.

Denn sein zweites Markenzeichen ist die Geige, ob nun gestrichen oder gezupft, als prägendes Element vieler Lieder. Bird ist studierter Violinist, seine musikalische Sozialisation ist mit Klassik, Jazz und verschiedenen Weltmusikeinflüssen grundiert. Textlich geht es ans Eingemachte mit Gedanken zur politischen Entwicklung, zum Klimawandel und zu Beschwerden des Alltags.

Das Cover rundet das Gesamtkunstwerk ab. Andrew Bird hat mit Akribie und der Einarbeitung vieler Details das Gemälde „Der Tod des Marat“ von Jacques-Louis David aus dem Jahr 1793 nachgestellt. Würde man nie auch nur einen Ton des Albums hören: Allein schon wegen der Optik lohnt eine Anschaffung in der großformatigen Vinylversion.

Reinhören!

Wir haben die Playlist zum Krisen-Modus. Hören Sie unsere Auswahl an Songs für die Heimarbeit, zur Kurzweil oder für andere Ablenkungen in Selbstquarantäne. Die Titel werden mit jeder neuen Folge unserer Kolumne erweitert. Und hier erfahren Sie, warum die Songs ausgewählt wurden.

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