Wie man neue musikalische Wege beschreitet und dabei in die Geschichte eingeht. Christian Werner über das Album „Let it be“ von The Replacements.

Spekulationen gibt es viele, wie und ob die Corona-Krise die Gesellschaft langfristig verändert.

Befinden wir uns in einem Transformationsprozess? Oder kehren wir, wann auch immer das sein wird, zu alten Mustern zurück? Derlei Dinge lassen sich, forschungshistorisch betrachtet, meist erst im Rückblick (er)klären.

The Replacements waren Anfang der Achtziger-Jahre definitiv in einer Übergangsphase. Vom lärmenden und clubzerlegenden Punkrock hin zu Songs, die das musikalische Spektrum der Band deutlich erweiterten – und somit ihre Breitenwirkung.

Ein wichtiges Album der achtziger Jahre

Was die Band damals noch nicht gewusst haben dürfte: Mit ihrem nächsten Album, dem dritten, sollte sie sogar Musikgeschichte schreiben; „Let it be“ gilt heute als eines der wichtigsten Alben der Dekade.

Das Cover von „Let it be“ von The Replacements.
Das Cover von „Let it be“ von The Replacements. © RCA / Sony

Müde vom Drei-Akkorde-Schema, veröffentlichte Sänger und Hauptsongschreiber Paul Westerberg 1984 mit seinen Jungs Lieder, die eine Brückenfunktion erfüllten vom Punk zum sogenannten Alternative Rock, der damals erst entstand.

Viele Songs, vor allem im ersten Drittel, bewahrten sich bei aller Hinwendung zum Melodiösen ihre rüpelhafte Grundhaltung der Punksozialisation. Neu für die Gruppe waren Country-Anleihen („Sixteen Blue“) und Balladen wie „Unsatisfied“, das später auch Einzug in Filme hielt zum Thema Coming-of-Age. Das war schließlich das Thema der Platte: Heranwachsen und das ganze Drumherum – nicht immer jugendfrei.

Paul Westerberg war bei aller musikalischer Häutung seiner Band stimmlich nicht plötzlich zum Chansonnier gewachsen. Aber Gefühl zählt im Pop bekanntlich mehr als Notensicherheit.

R.E.M.-Gitarrist Peter Buck war für die Platte als Produzent im Gespräch und half dann mit Tipps zum Arrangement. Drei Cover-Versionen sollen The Replacements aufgenommen haben: „Temptation Eyes“ von The Grass Roos, „20th Century Boy“ von T. Rex und „Black Diamond“. Das Kiss-Stück schaffte es auf die Platte, noch ein Affront für die Fanbasis: ausgerechnet der Song einer Dad-Rock-Band.

Bei der Wahl des Albumtitels griffen The Replacements nur scheinbar nach den Sternen. „Let it be“ war tatsächlich bei den Beatles abgekupfert. Aber nicht aus purer Verehrung. Die Band wollte ihren Labelchef, einen großen Beatles-Fan, foppen. Im Geiste waren die Bandmitglieder immer noch Punks: Nichts ist heilig, auch kein Plattenname der Fab Four.

Reinhören!

Wir haben die Playlist zum Krisen-Modus. Hören Sie unsere Auswahl an Songs für die Heimarbeit, zur Kurzweil oder für andere Ablenkungen in Selbstquarantäne. Die Titel werden mit jeder neuen Folge unserer Kolumne erweitert. Und hier erfahren Sie, warum die Songs ausgewählt wurden.

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