Von einem Vielgeschmähten zum Fan-Liebling. Christian Werner über das Album „Gold against the Soul“ der Manic Street Preachers.

Als was wurde dieses Album nicht alles bezeichnet. Ja, sogar beschimpft und verunglimpft, so muss man ehrlicherweise sagen. Es sei wie die Ex, an die man tunlichst nicht erinnert werden will. Von der die Verwandtschaft aber sagt, die sei doch immer so nett gewesen. Ein Moment zum Augenverdrehen, zum Fremdschämen.

Von Mainstream-Anbiederung war die Rede, von der Bon-Jovi-Werdung, zu unpolitisch sei es gar. Sogar die Manic Street Preachers selbst blickten lange mit eher gemischten Gefühlen auf ihr Werk, wie Bassist Nicky Wire jüngst erst zu Protokoll gab.

Poetische Texte bestimmen das Album

Was „Gold against the Soul“ auf alle Fälle ist: das schwierige zweite Album. Die Band hat erst ein Jahr zuvor mit ihrem Debüt auf-, nein: eingeschlagen, im Gepäck die Hymne „Motorcycle Emptiness“. Auf dem Album geht es hardrockig zu, die Texte sind stark politisch geprägt.

Das Album „Gold against the Soul“ der Manic Street Preachers.
Das Album „Gold against the Soul“ der Manic Street Preachers. © Columbia / Sony

Und dann das: Poesie bestimmt im Jahr 1993 plötzlich die Lyrics des Nachfolgers, inhaltlich wird es ungewöhnlich emotional-dunkel. Verantwortlich dafür ist maßgeblich Gitarrist Richey Edwards – der 1995 verschwindet und nie wieder auftaucht.

Gleichzeitig präsentiert sich die Band in einem gefälligeren Sound, das Schlagzeug ist präsenter, Gitarrenriffs und -solis werden regelrecht ausgekostet, Streicher und Keyboards halten dezent, aber immerhin, Einzug. Auch wenn die Manics beim Folgealbum einige dieser Klangelemente wieder in die musikalische Mottenkiste packen: Vieles davon soll ab den späten Neunzigern zum Trademark-Sound der Band gehören.

Es ist nicht nur deshalb höchste Zeit, das Album zu rehabilitieren. Man muss der Band zugute halten, dass sie keinen neuen Aufguss des Vorgängers ablieferte. Vielmehr war es der Eintritt in eine experimentelle Phase. Erkennbar sind damals aktuelle Einflüsse wie Grunge, aber auch Rock made in America.

Re-Issue des Albums „Gold against the Soul“, A4-Buch und zwei CDs.
Re-Issue des Albums „Gold against the Soul“, A4-Buch und zwei CDs. © Columbia / Sony

Der Song „Drug Drug Druggy“ etwa verwendet funkige Red-Hot-Chili-Peppers-Elemente, „Symphony of Tourette“ klingt stellenweise wie Guns’n’Roses und spielt mit Elementen aus dem Alternative-Sektor. „Roses in the Hospital“ ist ganz nah an einer sich anbiedernden Version von U2.

Auch die Band scheint ihren Frieden mit dem Album gemacht zu haben. Jetzt ist „Gold against the Soul“ neu erschienen unter anderem als
A-4-Buch mit Fotos von Mitch Ikeda auf 120 Seiten, auf den zwei CDs gibt es das remasterte Album, B-Seiten, Demos und Remixe. Eine gelungene Gelegenheit zum Entdecken.

Reinhören!

Wir haben die Playlist zum Krisen-Modus. Hören Sie unsere Auswahl an Songs für die Heimarbeit, zur Kurzweil oder für andere Ablenkungen in Selbstquarantäne. Die Titel werden mit jeder neuen Folge unserer Kolumne erweitert. Und hier erfahren Sie, warum die Songs ausgewählt wurden.

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