Jena. Meilenstein für den Jenaer Nahverkehr: Die erste neue Straßenbahn ist angekommen. Nun wartet aber noch viel Arbeit aufs Team von Siegmar Minke.

Der Mond steht über dem Betriebshof des Jenaer Nahverkehrs, als am Freitagmorgen kurz vor 1 Uhr eine Kolonne von Schwertransportern mit Blaulicht-Begleitung eintrifft. Lichtbahn haben sie ihre neuen Fahrzeuge getauft, deren erstes sie im Dunklen begrüßen.

Siegmar Minke ist selbst gerade erst von Bremstests aus Valencia, wo der Schweizer Hersteller Stadler die Bahnen fertigt, zurückgekehrt, allerdings im Gegensatz zur neuen Straßenbahn mit dem Flugzeug. Die Tram war deutlich länger auf der Reise aus Spanien: Zwei Schwertransporter sind notwendig, um die beiden Teile der 42 Meter langen Bahn zu transportieren. Sie ist deutlich länger als die bislang 28 Meter langen Züge der Jenaer Straßenbahnen. Auf den Hauptstrecken in der Saalestadt drängen sich im Berufsverkehr oft die Menschen im Nahverkehr, deshalb soll es künftig längere Züge geben.

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Von Santander nach Zeebrügge verschifft

Ihre erste Reise führt die „Lichtbahn 801“ elf Tage über den halben Kontinent. Die Lkw bringen die Bahnen auf der Straße nach Nordspanien, um sie von Santander nach Zeebrügge in Belgien zu verschiffen. In Frankreich sind Schwertransporte lange im Voraus anzumelden, was Flexibilität raubt. Auch die vielen Kreisverkehre bereiten Sorgen, deshalb der Seeweg.

Von Belgien aus wiederum erfolgt der Transport nachts über Autobahnen. In Jena haben die Nahverkehrsmitarbeiter extra eine Baustelle an der Straße durchs Gewerbegebiet Göschwitz beräumt, um gut zum Betriebshof zu kommen. Knifflig wird es 500 Meter vorm Ziel. Eine 90-Grad-Kurve nahe der Kreuzung am Burgaupark zwingt einen Fahrer zu Rangier­manövern, bevor er die letzten Meter in den Hof rollt. Die 50 Tonnen schwere Bahn kommt sicher an.

Erste Fahrten mit Passagieren auf der Linie nicht vorm Herbst

„Ein kleiner Mosaikstein im großen Projekt ist damit geschafft“, sagt Minke. Mitarbeiter des Herstellers werden die Bahn auf die Schienen setzen und beide Teile montieren. Bis die Fahrgäste erstmals im Linienverkehr einsteigen, dauert es aber noch bis in den Herbst. Vorher stehen die Schulungen des Fahr­personals, aber auch eine Vielzahl von Tests für die Zulassung auf dem Programm.

Die Jenaer hatten entschieden, um zehn Zentimeter breitere Fahrzeuge anzuschaffen (real sind sie zwischen 12 und 15 Zentimeter breiter), um den Kunden ein besseres Raumgefühl zu verschaffen. Dies führt aber zu aufwändigen Umbauten im Netz: An Haltestellen müssen die Bahnsteigkanten kurzgesägt werden. Wegen der längeren Züge hat der Nahverkehr die Werkstatt erweitert. Unterm Strich stehen Kosten von 153 Millionen Euro fürs gesamte Projekt.

Thüringen fördert die Anschaffung der Straßenbahnen

Die 16 langen Züge kosten jeweils gut vier Millionen Euro, von denen der Freistaat Thüringen die Hälfte trägt. Jena erhält acht weitere Fahrzeuge mit 32 Metern Länge, insgesamt also 24 Bahnen. Diese lösen die bisherigen Niederflurfahrzeuge ab, die teils länger als 25 Jahre gefahren sind und wegen eines zu kleinen Fuhrparks überdurchschnittlich gefordert waren. Untersuchungen hatten ergeben, dass Neuanschaffungen die wirtschaftlichste Lösung sind. Der Nahverkehr würde gern neun weitere Züge bestellen, um den Fuhrpark nahezu komplett zu modernisieren – doch die Finanzierung ist nicht geklärt.

Siegmar Minke leitet das Lichtbahn-Projekt in Jena.
Siegmar Minke leitet das Lichtbahn-Projekt in Jena. © Tino Zippel

Zunächst hoffen sie, dass die bestellten Fahrzeuge eintreffen. Die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg mit abgeschnittenen Lieferketten führten laut Minke zum Verzug im Projekt. Neuestes Ziel: „Bis Jahresende sollen zwölf neue Bahnen in Jena ankommen.“

Fakten zur Jenaer Lichtbahn:

• Der Jenaer Nahverkehr setzt ausschließlich Zweirichtungsfahrzeuge mit Führerständen an beiden Enden ein. Hintergrund ist, dass es auf mehreren Linien keine Wendeschleifen gibt.

• Die 16 langen Fahrzeuge mit 42 Metern Länge haben sieben Teile und bieten Platz für 241 Fahrgäste. Drei Multifunktionsbereiche stehen bereit für Rollstühle und Kinderwagen.

• Acht Züge mit 32 Metern Länge (Fünfteiler) haben je eine Kapazität von 180 Passagieren.

• Den regulären Betrieb sollen die langen Bahnen ab Herbst auf Linie 5 aufnehmen. Laut Jenaer Nahverkehr ist das Kundeninformationssystem in den Zügen von jedem Sitzplatz aus sichtbar. USB-Steckdosen bieten die Möglichkeit, während der Fahrt das Handy zu laden.

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