Eisenberg/Erfurt. Der Eisenberger Awo-Chef kritisiert die Vergütungsregeln bei dem Wohlfahrtsverband. Man fahre „mit Vollgas gegen die Wand“.

Der Chef der Arbeiterwohlfahrt (Awo) im Saale-Holzland-Kreis hält Spitzenjobs in dem Sozialverband für zunehmend finanziell unattraktiv. In einem Interview mit der Fachzeitschrift „Wohlfahrt intern“ sagte Ralf Batz (63) jetzt, dass die „starren Vergütungsregelungen“ für Geschäftsführer im Awo-Governance-Kodex „ein Problem“ und in den nächsten Jahren nicht zu halten seien. Der Sozialverband fahre seiner Ansicht nach „mit Vollgas gegen die Wand“.

Podcast zur Aufarbeitung des Thüringer Awo-Skandals:

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Man könne Geschäftsführern bei der Awo keine Gehälter wie Abteilungsleitern im öffentlichen Dienst zahlen. Denn dann gingen diese lieber in den öffentlichen Dienst, wo sie „nichts zu befürchten“ und geregelte Arbeitszeiten hätten und pünktlich nach Hause gehen könnten. Auf diese Weise verliere die Awo den Kampf um die klügsten Köpfe.

Batz selbst, Chef eines Verbandes mit etwa 500 Mitarbeitern, verdient seit Anfang 2021 „um die 125.000 Euro inklusive Dienstwagen und was sonst noch dazu gehört“. Bis Ende 2020, als sein vorheriger Arbeitsvertrag auslief, betrug sein Jahresgehalt noch rund 220.000 Euro. Aufgefallen war das dem Landesverband allerdings erst, nachdem der Landesausschuss im Juli 2020 alle Kreis- und Regionalverbände dazu aufgefordert hatte, ihm die Verträge mit ihren Geschäftsführern vorzulegen.

Hohes Gehalt nur einer der Gründe für Aufsichtsverfahren gegen Kreisverband Saale-Holzland

Der damalige Awo-Bundesvorsitzende Wolfgang Stadler nannte Batz‘ Gehalt „unangemessen“. Es sei mehr als doppelt so hoch, wie er es für einen Verband dieser Größe für angemessen halte. Stadler empfahl ein Gehalt von „maximal 115.000 Euro“. Die Awo sei schließlich kein Dax-Konzern oder die Sparkasse, sondern ein Wohlfahrtsverband. In dem aktuellen Interview erklärt Batz jetzt, dass es bei den Verhandlungen über sein Gehalt Anfang der 2000er Jahre noch keine Vorgaben des Bundesverbandes gegeben habe. „Das Gehalt eines Geschäftsführers sollte angemessen sein“, so Batz. Weil das nicht näher definiert worden sei, habe man sich „am unteren Drittel“ einer Tabelle der Oberfinanzdirektion Karlsruhe orientiert. Diese gebe eine Spanne vor – „und in dieser Spanne ordnet man sich ein. Punkt.“ Der einzige Grund, dem nun reduzierten Gehalt zuzustimmen, sei der gewesen, dafür sorgen zu können, „dass die ganzen Vorwürfe, die in der Presse standen, ausgeräumt werden“.

Batz‘ hohes Gehalt – nach Angaben des Awo-Landesverbandes war es damals das einzige in einer untergeordneten Gliederung, das sich in dieser Dimension bewegte – war im Herbst 2020 jedoch nur einer der Gründe für ein Aufsichtsverfahren gegen den Kreisverband im Saale-Holzland, mithin des ersten in der Geschichte des Landesverbandes. Der zweite: Die Vermischung von Mandat und hauptamtlichem Arbeitsverhältnis bei zwei Mitgliedern des Kreisvorstands. Sowohl der Kreisverbandschef als auch der Schatzmeister standen auf der Gehaltsliste des Verbandes, ein klarer Verstoß gegen den Awo-Governance-Kodex.

Batz spricht von Versuch, Geld zu sparen – Landesverband und Kreisvorstand reagieren reserviert

In dem aktuellen Interview verteidigt der Eisenberger Awo-Chef allerdings diese Konstellation: Die beiden Vorstände seien von Anfang an dabei gewesen, man habe versucht zu sparen und sein Geld in neue Projekte „und nicht in irgendwelchen Bürokratismus stecken“ wollen. Jetzt erledigten externe Fachleute die Arbeiten, was nicht nur umständlicher, sondern auch teurer sei. So schlügen allein die Arbeiten im Bereich Arbeitssicherheit, für die vorher der inzwischen nicht mehr amtierende Kreisverbandschef zuständig war, nun mit 35.000 Euro zu Buche. Insgesamt hätten sich die Kosten verdoppelt.

Der Awo-Landesverband und der Vorstand des Awo-Kreisverbands Saale-Holzland reagieren reserviert auf Batz‘ Äußerungen. Man nehme sie zur Kenntnis, heißt es auf Anfrage. „Die Anwendung des Awo-Governance-Kodex wurde auf der Landeskonferenz im Mai 2022 von über 110 Delegierten aus den Thüringer Awo-Gliederungen einstimmig bestätigt“, sagt Landesvorsitzende Petra Rottschalk. Und der neue Eisenberger Kreisvorsitzende Martin Bierbrauer bekräftigt: „Auch die Awo im Saale-Holzland-Kreis bekennt sich klar dazu.“ Die zuständigen Gremien würden das Interview auswerten. Landesverband und Kreisverband stünden dazu, wie es heißt, in engem Austausch.

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