Jena. Drei Forscherteams aus Jena und Hermsdorf sind am Montag mit dem Thüringer Forschungspreis ausgezeichnet worden. Wir stellen die Prämierten vor.

Forschung zur Artenvielfalt, zur Gewinnung von Rohstoffen und zur Infektionsdiagnostik sind mit dem diesjährigen Thüringer Forschungspreis gewürdigt worden. Mit der Auszeichnung verbunden ist ein Preisgeld von insgesamt 50.000 Euro. Hier stellen wir die Gewinner vor.

Hermsdorfer Fraunhofer-Institut für Batterie-Weltrekord prämiert

Das Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS in Hermsdorf hat für aufladbare Natrium-Nickel-Chlorid-Batterien einen Weltrekord aufgestellt: Es habe in den vergangenen fünf Jahren die größten und leistungsfähigsten Akkus dieser Art entwickelt, sagt Abteilungsleiter Roland Weidl nicht ohne Stolz.

Matthias Schulz (links) und Roland Weidl vom Fraunhofer Institut in Hermsdorf mit Natrium-Nickel-Chlorid-Batterien. Foto: Ulrike Merkel
Matthias Schulz (links) und Roland Weidl vom Fraunhofer Institut in Hermsdorf mit Natrium-Nickel-Chlorid-Batterien. Foto: Ulrike Merkel © zgt

Besitzen herkömmliche Modelle eine Speicherkapazität von nur 38 Amperestunden, haben die Hermsdorfer Batterien 100 Amperestunden. Dafür erhielt das siebenköpfige Team gestern den Thüringer Forschungspreis für angewandte Forschung.

Die Natriumtechnologie basiere auf den Materialien Kochsalz und Nickel und komme seit den 90ern zum Beispiel in Elektro-Gabelstaplern zum Einsatz, erläutert Roland Weidl. Obwohl die Batterien große Vorteile besitzen – sie sind wartungsfrei und feuersicher – konnten sie sich wegen ihrer hohen Herstellungskosten bisher nicht als Massenprodukt durchsetzen. Den Hermsdorfer Fachleuten ist es jedoch gelungen, ein preiswertes Verfahren zur Herstellung der kostenintensiven Keramikkomponente zu entwickeln.

Da dieser Batterie-Typ relativ langsam auflädt, ist er besonders als stationärer Energiespeicher geeignet, etwa bei heimischen Solaranlagen. „Das wird künftig ein großer Wachstumsmarkt sein“, prognostiziert Gruppenleiter Matthias Schulz. Die Technologie ist bereits an einen fränkischen Keramikspezialisten nahe der thüringischen Grenze verkauft worden. In den nächsten drei Jahre wird dort mit Hilfe der Hermsdorfer Experten eine Pilotlinie aufgebaut. Zudem werden die Batterien Teil des groß angelegten Thüringer Forschungsprojektes zur energetischen Sanierung von Wohnquartieren „smood“ sein.

Jenaer Leibniz-Institut erhält Preis für einen Schnelltest

Immer öfter infizieren sich Menschen mit Keimen, gegen die verfügbare Antibiotika nicht mehr helfen. Solche resistenten Keime gefährden Menschen weltweit, denn sie könnten dazu führen, dass von Krankheiten, die heute gut zu behandeln sind, wieder eine tödliche Gefahr ausgeht.

Ute Neugebauer (Leibniz-IPHT) und Michael Bauer (Leiter der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Uniklinikum Jena).Foto: S. Doering
Ute Neugebauer (Leibniz-IPHT) und Michael Bauer (Leiter der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Uniklinikum Jena).Foto: S. Doering © zgt

Die Ursache ist ein Teufelskreislauf: Weil es bislang an schnellen Verfahren für die Diagnose fehlt, werden Patienten mit lebensbedrohlichen Infektionen zunächst mit Breitband- oder Reserveantibiotika behandelt. In der Folge treten mehr Resistenzen auf, die Substanzen werden wirkungslos. Mit einem laserbasierten Verfahren, das Wissenschaftler des Jenaer Leibniz-Instituts für Photonische Technologien (IPHT) der Friedrich-Schiller-Universität und des Universitäts-klinikums Jena erforschte, können Bakterien und ihre Resistenzen direkt diagnostiziert werden: In drei Stunden liegt das Ergebnis vor, auf das Mediziner mit derzeitigen Verfahren noch bis zu 3 Tage warten müssen.

„Der Test ermöglicht Ärzten eine schmalbandige und passgenaue Therapie“, erklärt Jürgen Popp, wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-IPHT. Letztlich gehe es darum, Resistenzen zu vermeiden und bestehende zurück zu drängen. Dafür gab es gestern den Thüringer Forschungspreis für angewandte Forschung.

Die Wissenschaftler haben einen Chip entwickelt, den Ramanbioassay, der schnell, kostengünstig und universell einsetzbar ist. Nur wenige Tropfen aus einer Bioprobe genügen, um mittels Laser qualitative und quantitative Informationen zum Erreger und Antibiotika-Einsatz ablesen zu können. Momentan ist das Verfahren, so Popp, in der Verifizierungsphase. In fünf bis sieben Jahren, so der Wissenschaftler könnte eine kostengünstige Variante in jeder Arztpraxis zum Einsatz kommen.

Jenaer Wissenschaftler Ulrich Brose für Forschungen über Artenverlust geehrt

Wird tropischer Regenwald, etwa in Indonesien, durch Ölpalmen-Plantagen ersetzt, gehen rund 50 Prozent der Arten verloren. Vor allem nimmt die Zahl der Räuber ab. Das ist das Ergebnis einer Studie, an der der Jenaer Experte für Artenvielfalt Ulrich Brose mitgearbeitet hat.

Ulrich Brose forscht im Auftrag der Universität Jena am Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung in Leipzig.Foto: FSU/Swen Reichhold
Ulrich Brose forscht im Auftrag der Universität Jena am Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung in Leipzig.Foto: FSU/Swen Reichhold © zgt

Für seine mathematischen Berechnungen, mit denen er die Auswirkungen von sogenannten Landnutzungsänderungen beschreibt, erhielt der Professor für Biodiversitätstheorie an der Universität Jena gestern den Thüringer Forschungspreis für Grundlagenforschung.

Aber nicht nur die Artenvielfalt nimmt durch Plantagen-Wirtschaft ab. „Deutlich mehr büßt die Leistungsfähigkeit des Ökosystems ein“, sagt Ulrich Brose. Zur Erklärung zieht er einen Vergleich heran: „Würde man bei einem Auto 50 Prozent der Schrauben weglassen, dann würde es auch deutlich schlechter fahren als nur 50 Prozent, also wesentlich mehr Funktionsfähigkeit einbüßen.“

Der Jenaer Biologe konzentriert sich in seinen Berechnungen auf sogenannte Fraßinteraktionen, die etwa zwischen Pflanzen, Pflanzenfressern und Räubern bestehen. Verringere sich etwa in Ölpalmen-Plantagen die Zahl der Räuber, könnten sich Pflanzenfresser ungehindert vermehren, so Brose. Zum wirtschaftlichen Problem werde das, wenn Schädlinge wie die gefräßigen Schmetterlingsraupen einwanderten. Die dann eingesetzten Pestizide brächten das ohnehin gestörte Ökosystem weiter aus dem Gleichgewicht.

Ulrich Broses Forschungsort ist Leipzig. Er wurde von der Uni Jena ans Deutsche Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung entsandt, einem der größten Institute zur Erforschung des globalen Artenverlusts weltweit. Es ist ein Gemeinschaftsprojekt der Unis Jena, Halle und Leipzig.

Zur Sache: Der Preis

Mit dem Thüringer Forschungspreis ehrt das Land seit 1995 jährlich Spitzenleistungen in der Forschung an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen des Freistaates. Montag wurden die Auszeichnungen in Jena überreicht.