Wie verbreitet sich infektiöse Atemluft bei beatmeten Corona-Erkrankten? Dieser Frage gehen Forscher der Weimarer Bauhaus-Uni mit einem Schlierenspiegel nach.

So schnell zeigt sich, was Forschung für einen realen Nutzen haben kann: Vor einer Woche erhielten Wissenschaftler des Bereiches Bauphysik der Weimarer Bauhaus-Universität den Thüringer Forschungspreis für ein Verfahren, bei dem sie mittels eines Schlierenspiegels die Verteilung von Luftströmen in Räumen sichtbar machen. Ihre Technik nutzten die Wissenschaftler bereits für den Nachweis, wie sich infektiöse Atemluft von beatmeten Covid-Patienten auf einer Intensivstation verbreitet. Ziel des Gemeinschaftsprojektes mit Intensivmedizinern und Beatmungsspezialisten des Kloster Grafschaft-Fachkrankenhauses in Schmallenberg im Hochsauerlandkreis (Nordrhein-Westfalen), ist es, das Infektionsrisiko in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen einzudämmen, sagte Studienleiter Conrad Völker.

Fragen, die dabei geklärt werden sollen: Was passiert, wenn die eigene Atmung von Patienten nicht mehr ausreicht und maschinell unterstützt werden muss? Wie weit strömt infektiöse Atemluft in den Raum? Und welche Sicherheitsvorkehrungen müssen Medizinerinnen und Mediziner sowie Pflegekräfte entsprechend beachten? Im Fokus stünden schwer an Covid erkrankte Patienten, die per Mund-Nasen-Maske oder einer Nasenbrille (nasale High-Flow-Therapie) mit Sauerstoff unterstützt werden müssen. Über eine Nasenbrille erhält der Erkrankte erwärmte, befeuchtete und sauerstoffangereicherte Luft. Dabei komme es zu hohen Luftströmen vor dem Gesicht.

Mithilfe ihres weltweit einzigartigen, im durchmesser einen Meter großen Schlierenspiegels aus feinst geschliffenem Astro-Sitall können die Weimarer Forscher kleinste Luftströme im Raum sichtbar machen. Der Proband atmet parallel zum Spiegel, der das Licht einer LED-Quelle reflektiert. Dabei habe sich gezeigt, dass die Reichweite infektiöser Atemluft mit steigendem Beatmungsdruck zunimmt und bis zu vier Meter in den Raum gepustet wird. Aussagen über die Größe und Verteilung der Viruspartikel innerhalb der Atemluft könnten mit der Schlierenbildtechnik aber nicht getroffen werden. Es bedürfe daher weiterer Forschung, um zu untersuchen, ob die Nasale High-Flow-Therapie (NHF) nur Ausatemwolke vergrößert und dadurch die Viruskonzentration sogar verdünnt oder ob sie die absolute Menge des aus der Lunge ausgestoßenen Virus erhöht.

Die Tests seien bereits im vergangenen Jahr durchgeführt worden. Dass weit mehr als technische Spielerei waren, zeigt jetzt die Annahme einer Publikation mit den Ergebnissen durch das renommierte Fachjournal Critical Care Medicine. In der hoch spezialisierten süddeutschen Fachklinik stießen die Erkenntnisse aus dem Weimarer Labor bereits auf großem Widerhall. „Ungewiss war bislang, wie weit sich die mit Krankheitserregern angereicherte Atemluft bei verschiedenen Flussraten im Patientenzimmer ausbreitet und somit das medizinische Personal gefährdet“, sagte Dominic Dellweg, Chefarzt der Pneumologie. Da möglicherweise ein erhöhtes Risiko für durch Tröpfchen übertragene Krankheiten bestehe, sollte der Sicherheitsabstand entsprechend angepasst werden.