Oberpfaffenhofen. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt will anhand Sattelitendaten während des Corona-Lockdowns erforschen, inwiefern sich der reduzierte Flugzeugverkehr auf die Erderwärmung auswirkt.

Ausgewertet wurden Sattelitenbilderaufnahmen über Europa aus dem Zeitraum 16. April 2019 bis 20. April 2020, wie das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) berichtet. Den Schwerpunkt der Beobachtungen legte man dabei auf die Kondensstreifenbildung am Himmel bei extrem reduziertem Flugverkehr während des Corona-Lockdown. Laut Flugsicherungsbehörde Eurocontrol betrug der Rückgang gegenüber dem Vormonat fast 90 Prozent.

Die Forscherinnen und Forscher des DLR haben nun den Einfluss des reduzierten Luftverkehrs auf die Bildung von Kondensstreifen über Europa anhand der Messung von Wolkeneigenschaften analysiert. Dafür nutzten sie Sensordaten vom Wettersatelliten Meteosat Second Generation (MSG) vom 16. April 2020. Denn an diesem Tag war die Atmosphäre über Europa ausreichend feucht und kalt, damit sich hinter den Flugzeugen langlebige Kondensstreifen bilden konnten. Die Auswertung der Daten zeigte einen Rückgang der gebildeten Kondensstreifen auf etwa ein Zehntel im Vergleich zum Normalbetrieb. Alle aktuellen Entwicklungen im kostenlosen Corona-Liveblog.

Beeinflussen Kondensstreifen die Erderwärmung?

Prof. Dr. Christiane Voigt vom DLR-Institut für Physik der Atmosphäre in Oberpfaffenhofen erwartet nun einen deutlichen Rückgang beim Klimaeffekt durch den Flugverkehr, der im regulären weltweiten Betrieb rund fünf Prozent zur Klimaerwärmung beiträgt. „Die Beobachtungen der derzeitig reduzierten Kondensstreifen-Bedeckung erlauben es uns, die Genauigkeiten der Datenanalyse des MSG-Wettersatelliten und des verwendeten Modells zu prüfen, um zukünftig die Klimawirkung von Kondensstreifen noch detaillierter zu bestimmen“, erklärt die Professorin.

Wie genau sich die reduzierte Bedeckung durch Kondensstreifen auf den Strahlungshaushalt der Erde auswirkt, wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den kommenden Monaten anhand weiterer Satellitendaten und -analysen genauer bestimmen. Dafür wird unter anderem aus dem Weltall die von der Erde abgestrahlte Wärme im Vergleich zur einfallenden Sonnenstrahlung gemessen. „Wir hoffen in dieser besonderen Situation mit wenig Flugverkehr durch eine große Anzahl an Messungen direkt den Rückgang der Kondensstreifen im Wärmehaushalt der Erde nachweisen zu können“, erläutert Prof. Dr. Markus Rapp, Direktor des DLR-Instituts für Physik der Atmosphäre.

Wie entstehen Kondensstreifen?

Der Wasserdampf in den Abgasen eines Düsenflugzeugs kondensiert auf den Rußpartikeln und wandelt sich in kleinste Wassertröpfchen um. Diese gefrieren rasch und werden zu Eiskristallen. Ist die sie umgebende Luft ausreichend feucht, nehmen sie deren Wasserdampf auf, wachsen an, breiten sich aus und nehmen schließlich wolkenähnliche Strukturen an, die sich wie ein dicker Schal um die gesamten Erdglobus legen.

Diese sogenannten Kondensstreifenzirren verhindern nun, dass ein Teil der Wärmeabstrahlung in das Weltall verhindert wird. Sie sorgen in der Atmosphäre für einen positiven Klimaantrieb, eine Erwärmung. Da sie aber auch Sonnenlicht aus dem Weltall reflektieren, wirken die Zirren zum Teil auch für eine Abkühlung.

Anders als CO2, das mit einer Lebensdauer von über 100 Jahren in der Atmosphäre verweilen kann, lösen sich Kondensstreifen in der Regel innerhalb weniger Minuten bis Stunden auf, so dass ihr Klimaeffekt bei einem Verkehrsrückgang schnell reduziert werde, so das DLR weiter. Deshalb wolle man auch untersuchen, wie sich Kondensstreifenbildung zukünftig über feuchten Luftgebieten vermeiden lassen könne.

Des weiteren soll auch die Änderungen der chemischen Zusammensetzung in der Atmosphäre durch den reduzierten Luftverkehr mit den Forschungsflugzeugen Falcon und HALO untersucht werden.

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