TA- Chefredakteur Jan Hollitzer über neue Macht­verhältnisse nach den Europa- und Kommunalwahlen.

Das Ergebnis der Europa- und Kommunalwahlen ist mehr als nur ein Stimmungstest. Es besitzt politische Sprengkraft.

Dass es für die aktuelle Thüringer Koalition bei der Landtagswahl im Oktober eng wird, war bereits klar. Nun zeigt sich aber, dass der Aufschwung der Grünen schon übernatürliche Ausmaße annehmen müsste, um Rot-Rot-Grün an der Macht zu halten. Und bisher kommt ihr Bundeshoch nur stark gebremst im Land an.

Der Trend der Europawahlen bestätigt sich nun auch in Gemeinden, Städten und Kreisen: Neben CDU und SPD schwächelt vor allem die Linke.

Die Partei, die mit Bodo Ramelow ihren einzigen Ministerpräsidenten stellt, kann von seinem Amtsbonus nicht profitieren. Im Gegenteil: Die Linke verliert mit mehr als acht Prozentpunkten ein gutes Drittel ihrer Stimmen in den kommunalen Parlamenten.

Sieger bei den Zuwächsen ist die AfD, die einen klaren Themenwahlkampf betrieben und damit Erfolg gehabt hat. Umfragen müssen es noch zeigen: Aber es ist anzunehmen, dass nicht wenige Wähler der Linken nicht mehr die Vertretung ihrer ostdeutschen Interessen vertrauen. Dafür aber der AfD.

Das Leben hier, gerade das im ländlichen Raum, hat wenig mit dem in den alten Bundesländern und schon gar nichts mit dem in den Metropolen zu tun. Das sollte ernst genommen und nicht belächelt werden.

Das permanente und pauschale Verteufeln des Ostens – auch durch in der alten BRD sozialisierte Menschen – und die fehlende angemessene Repräsentation in Führungs- und Regierungsposten führen zu Ausgrenzungserfahrungen und letztlich zu Protest. Die Mitte irrlichtert zwischen den politischen Ex­tremen.

Der Lagerwahlkampf ist in vollem Gange. Wem er vor allem nützt, haben wir gesehen.