Marco Alles über die DFB-Elf nach der EM-Qualifikation.

Es ist heikel, im Sport von erfüllten Pflichtaufgaben zu sprechen. Weil damit immer eine gewisse Geringschätzung des Gegners mitschwingt. Dennoch hat die Fußball-Nationalmannschaft mit der EM-Qualifikation nur das Mindestziel erreicht. Nicht mehr und nicht weniger. Estland, Weißrussland und Nordirland können, bei allem Respekt, kein Maßstab für die DFB-Elf sein. Allen Umbruchsplänen und Verletzungssorgen zum Trotz. Dass der Gruppensieg vor den Holländern heraussprang, ist indes ein Achtungszeichen.

Sieben Siege in acht Partien; dazu 30 Tore und phasenweise erfrischender Angriffsfußball – die Fortschritte des neu strukturierten Teams sind unverkennbar. Das konsequente Spiel über die Außen, die vielen Pässe in die Tiefe, die ständigen Rochaden der Offensivkräfte zeugen vom neuen Stil, den der alte Bundestrainer eingeführt hat. Seine jungen Wilden präsentieren sich lernwillig und haben offensichtlich Spaß an ihrem Tun.

Vor allem Serge Gnabry, der zweifellos zu den Gewinnern des Jahres gehört. Mit acht Treffern in der EM-Qualifikation erhöhte er sein Torkonto auf 13; in zwölf Länderspielen. Eine Quote, die schon erste Vergleiche mit Gerd Müller (68 Tore bei 62 Einsätzen) nach sich zieht. Ein größeres Kompliment könnte es für einen deutschen Stürmer kaum geben.

Doch so attraktiv das Spiel nach vorn ist, so wackelig präsentiert sich das DFB-Gebilde in der Defensive. Es fehlt sowohl am Tempo in der Rückwärtsbewegung als auch an der Kompaktheit im Zentrum. So kamen selbst die Esten und Weißrussen zu etlichen guten Chancen. Diese Anfälligkeit allein mit dem Ausfall von Niklas Süle zu begründen, wäre ein Armutszeugnis für den Kader. Zudem würde es wenig Hoffnung machen. Denn es ist nicht damit zu rechnen, dass der an einem Kreuzbandriss laborierende Verteidiger zur EM-Endrunde wieder in Top-Form ist.

Es bleiben noch viele Fragezeichen auf dem Weg zu den paneuropäischen Titelkämpfen. Wie weit die junge Truppe wirklich ist, wird sich erst in dem Turnier zeigen. Und vielleicht hilft es sogar, dass es die eine oder andere Baustelle noch gibt – und die DFB-Auswahl nicht zu den Top-Favoriten zählt.