Axel Lukacsek über eine heiße Leichtathletik-WM in Doha.

Katharina Bauer ist so etwas wie eine Himmelsstürmerin. Aber das liegt in der Natur der Sache. Als Stabhochspringerin ist es ihre Berufung, der Erdanziehungskraft so lange wie möglich ein Schnippchen zu schlagen. Aber die 29 Jahre alte Leichtathletin wäre – im übertragenen Sinne – wohl auch eine ziemlich gute Hindernisläuferin. Für sie sind Hürden im Leben dazu da, um übersprungen zu werden. Nun, bei der Weltmeisterschaft in Doha, startet sie mit einem Defibrillator in der Brust, der sie vor dem plötzlichen Herztod bewahren soll. Der internationale Verband hatte ihr aufgrund ihrer Saisonbestleistung von 4,55 Meter eine persönliche Einladung ausgesprochen.

Der 17. April 2018 war unterdessen die Stunde null in ihrer Karriere als Leistungssportlerin. An jenem Tag unterzog sich Katharina Bauer einer Operation, bei der ein Defibrillator unter ihre Haut gepflanzt worden war. Der Eingriff war nötig, weil bei ihr das Herz an manchen Tagen mit zusätzlich 15.000 Schlägen immer wieder aus dem Takt geraten war. Alles spricht dafür, dass Katharina Bauer in Doha keine Medaille gewinnen wird. Aber ihre Teilnahme will sie nutzen, um eine Botschaft zu übermitteln. „Vielleicht kann ich andere Leute motivieren oder inspirieren, immer an sich zu glauben“, sagt die Stabhochspringerin aus Leverkusen.

Wahrscheinlich ist sie dafür ja bei dieser Weltmeisterschaft genau am richtigen Ort. Denn allein schon die klimatischen Bedingungen werden dafür sorgen, dass die Athleten an ihre Grenzen gehen müssen. In Katar werden nicht die Temperaturen von fast 40 Grad den Sportlern alles abverlangen.

Jene Hitze ist auch in unseren Breitengraden nicht ungewöhnlich. Wenn aber um Mitternacht – zur Startzeit der Marathonläufe – bei 29 Grad eine Luftfeuchtigkeit von 85 Prozent herrscht, ist schnell klar, welche enorme Belastung das Wetter für den Körper sein muss. Nicht umsonst hat der Fußball-Weltverband seine WM 2022 in Katar in den wesentlich kühleren November und Dezember verlegt. Das Problem dürften ohnehin nicht die Wettbewerbe im 50.000 Zuschauer fassenden Kahlifa Stadium sein. Die Arena soll auf angenehme 26 Grad heruntergekühlt werden, was man in Zeiten der Diskussionen um weltweiten Klimaschutz als blanken Wahnsinn bezeichnen muss. Das Problem werden vor allem die ständigen Temperaturwechsel sein. Vom wohl temperierten Hotel zum nicht klimatisierten Aufwärmplatz und dann schließlich ins heruntergekühlte Stadion – da müssen die Athleten gut auf sich aufpassen.

Auch bei dieser WM versucht die digitale Welt auf bizarre Weise den untauglichen Versuch, dass der Mensch die Natur beherrscht. In Doha gibt es nicht nur die Pille für die Frau – sondern auch für den Mann. Yannis Pitsiladis, Professor für Sportwissenschaften an der Universität Brighton, hat tatsächlich eine Kapsel entwickelt, die wichtige Daten liefern soll, wie die britische Zeitung Telegraph berichtet. Das 1,7 Gramm schwere Stück muss der Athlet ein paar Stunden vor dem Wettkampf schlucken. Von nun an liefert der winzige Chip solche Daten wie Körperkerntemperatur und gibt einen Aufschluss darauf, ob jemand Gefahr läuft, vielleicht von der Hitze geplagt auszutrocknen. Nach 48 Stunden wird die Pille über den Magen-Darm-Trakt wieder ausgeschieden.

Das Pilotprojekt zielt auf die Olympischen Spiele in einem Jahr ab, wenn in der Millionen-Metropole Tokio ähnlich grenzwertige Bedingungen erwartet werden. Für Datenschützer ist die Tablette freilich ein rotes Tuch. Und ist so ein Ding überhaupt nötig? Warum nicht das tun, was jeder Athlet ohnehin praktiziert, um erfolgreich zu sein? Nämlich selbst ganz genau auf seinen Körper hören.

Aber das ist manchmal gar nicht so einfach. In der Gluthitze von Los Angeles schleppte sich bei den Olympischen Sommerspielen 1984 die Marathonläuferin Gabriela Andersen-Schiess mit letzter Kraft über den Zielstrich und brach zusammen. Ärzte stellten eine Körpertemperatur von 41,2 Grad fest. Torkelnd benötigte sie für die letzten 500 Meter sage und schreibe sieben Minuten. Allerdings wäre auch ein hochmoderner Chip, der ihr längst ein Warnsignal gesetzt hätte, keine Hilfe gewesen. Alle Ratschläge der Ärzte am Streckenrand, das Rennen zu beenden, schlug die Schweizerin damals in den Wind.

Ein simpler Vorschlag zum Schutz der Sportler wäre ja, eine Leichtathletik-WM einfach nicht in ein Land mit solch klimatischen Extrembedingungen wie Katar zu vergeben.