Axel Lukacsek über die Konflikte zwischen Sport und Politik.

Bachirou Salou ackerte einst im Training derart, dass er sich in seiner Heimat wähnte und mit einem Augenzwinkern einen Vergleich zog. „Eigentlich kenne ich Diktatoren nur noch in Afrika. Felix Magath ist der letzte Diktator Europas“, sagte der frühere Bundesliga-Profi damals über seinen Trainer, der angesichts seiner manchmal unbarmherzigen Methoden von der Presse auch mal als Zuchtmeister, mal als Quälix, bezeichnet wurde. Englische Zeitungen schrieben gar, er sei ein Folterer.

Rudi Gutendorf, der vor wenigen Wochen gestorbene Fußball-Weltenbummler, hatte da einen ganz anderen Ruf. In seinen 93 Jahren erlebte er große und kleine Momente des Sports. Die 55 Trainerstationen führten ihn in 32 Länder auf fünf Kontinente. Er war damit der Außenminister des deutschen Fußballs. Schließlich sind Sport und Politik ohnehin nicht voneinander zu trennen.

Das ist auch nicht anders, wenn nun am Sonntag in Thüringen ein neuer Landtag gewählt wird. Denn die Frage, ob irgendwo vielleicht ein Sportplatz saniert, eine Turnhalle umgebaut oder eine neue Tartanbahn entstehen soll, steht und fällt eben mit der Frage, wie weit die Politik den Sport unterstützt. Ohne Landesmittel würde es auch keinen Umbau der Oberhofer Sportstätten geben – und damit eben auch keine Weltmeisterschaften der Biathleten und Rodler im Februar 2023. Ebenso so wichtig für Thüringen ist es allerdings auch, dass die Politik die Regionen abseits der Leuchttürme nicht vergisst.

Manchmal aber werden politische Debatten sogar mitten aufs Spielfeld getragen. Wie beim umstrittenen Salut-Jubel von Fußballern, die mit dem Militärgruß ein politisches Bekenntnis zum Einsatz der türkischen Streitkräfte in Nordsyrien ablegen. Aber ist nicht jede kriegerische Auseinandersetzung eine Bankrotterklärung an die Menschlichkeit? Und soll der Sport im Kern nicht ganz genau das Gegenteil bewirken? Die integrative Macht des Sports stößt immer wieder an ihre Grenzen.

Als beim Kreisligaspiel zwischen Türkspor Herne und dem FC CastropRauxel einige Spieler der Gastgeber mit dem Soldatengruß provoziert hatten, war die Lunte gelegt. In der ohnehin aufgeheizten Stimmung eskalierte nach zwei Entscheidungen des Schiedsrichters die Lage derart, dass der Linienrichter geschlagen und getreten wurde. Das Spiel endete mit einem Abbruch.

Aber auch die europäische Fußball-Union (Uefa) steht vor Problemen. Weil das Kosovo drauf und dran ist, sich für die EM 2020 zu qualifizieren, könnte es noch zu Konflikten kommen. Die kleine Republik vom Balkan nämlich wird von einigen Staaten Europas nicht anerkannt. Russland zum Beispiel ist neben Spanien oder Rumänien solch ein Land. Nur sollen dort ja im kommenden Jahr beim paneuropäischen Turnier in St. Petersburg drei Gruppenspiele und ein Viertelfinale ausgetragen werden. Möglich wäre im Fall der Fälle wohl eine Verlegung der betroffenen Spiele. Bei der Qualifikation zur Frauen-EM 2021 spielen Russland und Kosovo in einer Gruppe – auf neutralem Boden.

Auch beim WM-Qualifikationsspiel zwischen den offiziell noch im Kriegszustand befindlichen Teilen Koreas wurde deutlich, warum der kommunistische Norden immer wieder als ein abgeschottetes Land bezeichnet wird. Beim 0:0 saßen weder Zuschauer im menschenleeren Kim-Il-Sun-Stadion, noch gab es Fernsehbilder.

So skurril jenes Fußballspiel vielleicht anmuten mag, so bitter ernst endete für Saeid Mollaei seine Teilnahme an der Judo-Weltmeisterschaft vor sechs Wochen in Tokio. Der Iraner, der 2018 als erster Athlet seines Landes eine WM-Goldmedaille gewinnen konnte, war auf dem besten Weg zur Titelverteidigung. Bis er einen Anruf aus der Heimat erhielt. Aus dem Sportministerium wurde ihm beschieden, im Halbfinale auszuscheiden. Es war keine Bitte, es war ein Befehl. Denn der 27-Jährige hätte im Finale gegen den Israeli Sagi Muki kämpfen müssen. Allerdings verbietet der Iran seinen Athleten strikt, wegen der politischen Feindschaft mit Israel gegen deren Sportler anzutreten.

Mollaei war mutig, obwohl in seiner Heimat die Sicherheitskräfte während der WM seinen Eltern einen Besuch abstatteten. Ein klare Drohung, aber er trat im Halbfinale an – und schied aus. Nach Hause traute er sich aber nicht mehr. Der Weltklasse-Judoka lebt inzwischen in Deutschland. Ob er jemals in den Iran zurückkehren kann, das ist ungewiss. Dabei soll der Sport doch Grenzen überwinden, statt neue Mauern aufbauen.