Frank Quilitzsch staunt über einen Stift aus der Harry-Potter-Werkstatt.

Gerade erst aus Mexiko zurück und schon wieder auf dem Sprung – diesmal geht’s nach Berlin. T. hat sich dort zum Studium eingeschrieben – International Management – und rüstet auf: ein I-Pad für die Vorlesungen, eine abnehmbare Tastatur und ein Stift zum Mitschreiben.

„Den Stift“, sage ich in meinem grenzenlosen Leichtsinn, „bezahle ich.“

„Oh!“, freut sich T. „Danke! Vielen, vielen Dank!“ Und präsentiert mir die Rechnung.

99 Euro und 90 Cent!

Einen so teuren Stift besaß ich nie. Dieser ist grau und unscheinbar und braucht weder angespitzt noch nachgefüllt zu werden. Ein digitaler Zauberstift, wie aus der Harry-Potter-Werkstatt.

T. fährt damit auf ihrem Tablet herum, und das I-Pad schluckt die leicht windschiefen Worte und verwandelt sie in akkurate Druckschrift. Vorausgesetzt, die Handschrift lässt sich entziffern.

Ich finde es ja prima, wenn junge Leute wieder mit der Hand schreiben. Sofern sie es überhaupt noch können. Jenen, die meinen, dass das Erlernen einer Schreibschrift im modernen Tastenzeitalter überflüssig sei, entgegne ich: Wer mit der Hand schreibt, der bleibt.

Laut jüngsten Studien hat heute schon jedes dritte Schulkind Probleme mit der eigenen Handschrift. Viele können gar nicht mehr flüssig schreiben und klagen über Krämpfe, wenn sie mal einen längeren Text, zum Beispiel einen Aufsatz, zu Papier bringen sollen.

Dabei sei gerade das eigenhändige Fabrizieren von Buchstaben und fließend ineinanderübergehenden Wortgruppen ein kognitiver Prozess, der im Gehirn Gedächtnisspuren hinterlasse, betonen die Experten. Die Bewegung der Hand werde im Kopf verarbeitet. So erkenne man leichter die Grammatik und die Bedeutung der Wörter. Das Tippen fertiger Buchstaben hingegen sei stereotyp und kaum geeignet, um sich später noch an das Geschriebene zu erinnern.

Wenn ich mir zum Beispiel einen Einkaufszettel schreibe, kann ich ihn getrost zu Hause liegen lassen. Das Schriftbild verbleibt in meinem Kopf – zumindest bis ich die Kaufhalle wieder verlassen habe.

Man muss ja nicht gleich, wie die Kinderbuchautorin Cornelia Funke, ganze Romane per Hand verfassen. Es reicht schon, wenn man Tagebuch führt oder hin und wieder einen Brief schreibt. Es gibt auch noch Postkarten.

Was ist schon ein digitaler Fingerabdruck gegen eine ausgeschriebene Handschrift! Die Handschrift variiert nach Stimmung, Laune, Wetter, Seelen- und Gesundheitszustand, und doch ändert sie sich in späteren Lebensabschnitten nicht mehr grundsätzlich. Es gibt eine Zeit, in der sie sich herausbildet und formt, später schleift sie sich ein wenig ab und wird Routine. Trotzdem behält sie ihren eigenwilligen Charakter.

T. hat sich fest vorgenommen, ihre Vorlesungsmitschriften mit dem Zauberstift anzufertigen. Was ja nicht heißt, dass sie die digitalen Vorteile ihres I-Pads nicht nutzen würde.

„Mach’ schön Exzerpte“, sage ich.

„Ex... – was?“

„Exzerpt heißt Textauszug.“

„Aha. Und wie schreibt sich das?“