Birgitta Stauber über Kinderpsychosen.

Mag sein, dass es in früheren Zeiten hinsichtlich der seelischen Gesundheit Heranwachsender weniger Sensibilität gab.

Doch wenn tatsächlich jedes vierte Schulkind Auffälligkeiten zeigt, dann kommt eine unfassbar hohe Zahl an Jungen und Mädchen nicht mit sich und der Gesellschaft klar.

Wenn dann noch, wie die Kinder- und Jugendärzte mutmaßen, eine erhebliche Dunkelziffer hinzukommt, ist das tatsächlich ein äußerst verstörender Zustand einer Generation. Das lässt sich nicht mehr abtun mit Sprüchen wie: Früher hatten wir auch viele verzweifelte Kinder in der Klasse.

Auch wenn Schulen eine Menge mit Aufklärungsaktionen tun und Sozialarbeiter einbinden: Hier ist die kleinste Keimzelle der Gesellschaft gefragt – die Familie.

Und da ist eben vieles im Fluss: Vater wie Mutter werden heutzutage voll und ganz vom Beruf in Beschlag genommen, Kinder sind vollkommen beschäftigt mit Ganztagsschule und dem sonstigen Programm.

Abgesehen von sich auflösenden und sich neu formierenden Familien, in denen sich jedes Mitglied neu finden muss. Wer hat da noch Kraft, den Lieferando- und Netflix-Verlockungen zu widerstehen, selbst zu kochen und beim Essen Grundsatzdiskussionen über offene Profile zu führen und den überdrehten Teenager aufzufangen? Ihm zu helfen, dem Gruppendruck zu widerstehen und eine Haltung zu finden, etwa zu Mobbing, Diskriminierung (auch, um etwa dem Hass auf den eigenen Körper etwas entgegenzusetzen) und Gewalt? Wer schafft es, den Nachwuchs (und dessen Freunde) nach draußen zum Fußballspielen zu schicken und so lange die Smartphones einzukassieren?

Vor lauter Erschöpfung lebt die Familie mitunter wie eine Wohngemeinschaft, über der sich eine wabernde Gleichgültigkeit breitgemacht hat, nach dem Motto: Sollen doch die Schulen den Kampf führen. Der Teenager wird sich schon wieder einkriegen.

Die Wahrheit ist: Er kriegt sich eben viel zu oft nicht ein.