Christian Kerl zur Suche nach einem Atom-Endlager.

Der Standort für ein Atommüll-Endlager in Deutschland soll auf wissenschaftlicher Basis, in einem nachvollziehbaren und möglichst transparenten Verfahren gefunden werden. Ob das Experiment gelingt, ist weiter völlig offen.

Dass halb Deutschland nun für die sichere Einlagerung des gefährlichen Mülls infrage kommen soll, kann man als notwendigen wissenschaftlichen Zwischenschritt werten – oder schlicht als Augenwischerei. Die Suche beginnt ja in Wahrheit nicht bei null, die besonders geeigneten Gebiete sind den Experten bekannt.

Schon organisiert sich politischer Widerstand. Bayern lehnt ganz offen die Endlagerung im Freistaat ab. Auch für Thüringen sprechen sich Landespolitiker parteiübergreifend dagegen aus. Der Wunsch nach einer wissenschaftsbasierten Standortentscheidung stößt schnell an seine Grenzen. Am Ende droht erbitterter politischer Streit – und womöglich wieder eine Blockade.

Spätestens dann dürfte ein Ausweg in den Blick genommen werden, der noch als Tabu gilt: Ist es nicht sinnvoller, für die Atommüllentsorgung eine internationale, am besten europäische Lösung zu finden, statt in jedem Land über viele Jahrzehnte Endlager zu bauen und zu betreiben? Der Grundsatz, dass Deutschland die strahlende Altlast unbedingt in seinem dicht besiedelten Territorium vergräbt, um sichtbar selbst Verantwortung für den Müll zu übernehmen, stammt aus der Zeit vor dem Atomausstieg.

Heute könnte die Debatte ideologiefrei geführt werden: Dass künftige Generationen mit vielen Endlagern quer über den Kontinent leben müssen, könnte bald als wenig verantwortungsvolle Idee erscheinen.

Statt jede Entsorgung außerhalb der Staatsgrenzen zum Tabu zu erklären, sollte die Politik die gesetzlichen Vorgaben ändern und eine solche Option ebenfalls von Experten prüfen lassen. Natürlich wäre die Einhaltung höchster Sicherheitsstandards Bedingung. Niemand weiß, ob das gelingt und ob die internationale Lösung die beste wäre. Aber vielleicht ist man in einigen Jahrzehnten froh, dass es überhaupt eine sichere Lösung gibt.