Jan Hollitzer über die Diskussion um Bodo Ramelow.
Es geht um mehr als nur um einen „Stinkefinger“. Auch wenn am Wochenende die Debatte und reichlich Relativierungsversuche rund um die Geste kreisten.
Nein, wir haben noch kein Sommerloch. Dieser Vorwurf wird oft laut, wenn sich die Medien mit scheinbaren Marginalien beschäftigen. Diese war eben keine. Und deshalb berichten wir auch darüber, weil mehr dahintersteckt:
Das Kalkül der AfD ist wieder einmal aufgegangen. Obwohl der Mechanismus, durch Provokationen emotionale Reaktionen hervorzurufen und Öffentlichkeit zu schaffen, lange bekannt ist.
Menschlich, aber unsouverän und politisch nicht klug
Wenn Ramelow sagt, „da ist ein Punkt erreicht, wo ich auch menschlich nicht mehr kann. Wo ich auch nicht mehr bereit bin, das einfach wegzustecken“, ist er genau da, wo ihn die AfD haben will.
Ramelows Reaktion mag menschlich sein, aber unsouverän und politisch nicht klug.
Vielleicht bestärkt sein Handeln seine Anhänger, aber es kann sie auch verschrecken, wenn dem „Hoffnungsträger“ anscheinend die Argumente ausgehen und er sich aus der Reserve locken lässt.
Und natürlich schadet es dem Ansehen des Amtes und der parlamentarischen Diskussionskultur, wenn auf der einen Seite provoziert und auf der anderen Seite ein Stinkefinger gezeigt und Beschimpfungen geäußert werden. Das hätte Ramelow nicht passieren dürfen.
Der AfD-Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner twitterte am Wochenende: „Von der AfD Thüringen lernen... heißt: Siegen lernen. Denn,“ und dann folgte eine Passage aus einem Cicero-Text: „Die AfD in Thüringen steht - zum dritten Mal in diesem Jahr - als Sieger da. Erst die Wahlposse um Kemmerich, dann die erfolgreiche Klage gegen das Paritätsgesetz und nun Ramelows Mittelfinger.“ Diese Analyse mag man nicht teilen, aber sie beschreibt die Deutung der Ereignisse.
Und der Vorgang verdeutlicht einmal mehr die starke Polarisierung in Thüringen. Es geht wieder einmal um die AfD und die Linke. Den Parteien dazwischen bleibt nur die Zuschauerrolle.