Martin Debes über einen Regierungschef unter Verdacht.

Gegen den Thüringer Ministerpräsidenten von der Linken wird wohl demnächst ermittelt. Die parlamentarische Immunität von Bodo Ramelows dürfte im Dezember aufgehoben werden.

Wie das Verfahren ausgeht, ist ungewiss. Sowieso gilt bis zu einem möglichen rechtskräftigen Urteil die Unschuldsvermutung.

Was aber sicher ist: Das Verfahren wird sich bis in den Landtagswahlkampf ziehen. Damit stellt sich automatisch die Frage, ob die Ermittlungen der Linken im nächsten Jahr schaden könnten.

Es gibt Erfahrungen in Thüringen. Ministerpräsident Dieter Althaus wurde nach dem Skiunfall im Januar 2009, bei dem eine Frau starb, in Österreich nach mehrwöchigen Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe verurteilt – und dann trotzdem kurz darauf von der CDU zum Spitzenkandidaten nominiert.

Gegen Althaus’ Nachfolgerin – und Ramelows Vorgängerin – Christine Lieberknecht ermittelte die Staatsanwaltschaft ab 2013 wegen des Verdachts der Untreue, weil sie ihren Regierungssprecher in den einstweiligen Ruhestand geschickt hatte, obwohl dieser einen Job in der Wirtschaft sicher hatte. Das Verfahren wurde wenige Tage vor ihrer Nominierung zur Spitzenkandidatin eingestellt.

Dass Althaus und Lieberknecht nach den Wahlen den Regierungsvorsitz verloren, hatte natürlich längst nicht nur mit den Ermittlungen und der Berichterstattung darüber zu tun. Aber eben auch.

Ist die aktuelle Entscheidung der Staatsanwaltschaft also ein Menetekel für Ramelow? Nun ja. Bei ihm geht es nicht um Tötung oder Untreue, sondern um eine Beleidigung. Der Umstand, dass es sich bei dem Betroffenen um einen AfD-Politiker handelt, wird Ramelow bei seiner Basis eher nützen.

Aber: Bodo Ramelow wurde 2014 nur Ministerpräsident und hievte seine Partei 2019 sogar auf 31 Prozent, weil er auch Menschen aus dem bürgerlichen Spektrum ansprach. Genau hier, bei den Wechselwählern, hat er sich ohne jede Not verletzbar gemacht – egal, wie die Ermittlungen ausgehen.