Martin Debes über das Hoch der Grünen und die SPD.

Es war, als hätten die Landesparteien die Inszenierung der Parteitage am Wochenende ihrer Situation angepasst. Die Grünen feierten sich im hippen Zughafen von Erfurt, neben dem ICE-Bahnhof, der die Stadt mit der Welt verbindet. Die SPD trauerte trotzig im Geraer Kongresszentrum, dessen großklotziger DDR-Schick dafür steht, was die Stadt einmal war.

Das, was zurzeit passiert, erscheint wie eine Wachablösung, zumindest im Westen. Im Osten ist vieles anders, dort gibt es eine immer noch örtlich starke Ex-Protestpartei Linke und die Angstorganisation AfD.

Doch nichts ist vorherbestimmt, gerade in diesen Zeiten. Die FDP führte vor, wie eine tot geglaubte Partei wieder aufersteht. Und die SPD hat in eineinhalb Jahrhunderten zu viel erlebt, um jetzt einfach aufzugeben. Die Zersplitterung der Gesellschaft und die irrwitzige Beschleunigung der ökonomischen Prozesse führen dazu, dass das, was heute in ist, morgen out sein kann. Digitalisierung, Globalisierung, Klimawandel: Die Zeiten ändern sich, schneller als je zuvor.

Die AfD entstand vor allem deshalb, weil vielen Menschen das Tempo zu hoch wird – insbesondere dort, wo der letzte Umbruch erst eine Generation her ist. Die Partei verspricht deshalb vor allem ein Rückwärts.

Die Grünen stehen hingegen für den offensiven Umgang mit dem Neuen, dem Anderen. Sie bieten eine Art politische Bionade aus christlich-konservativer, sozialdemokratischer und linker Politik: Bewahrung der Schöpfung, Glauben an den Fortschritt, Schutz von Minderheiten. Der Mix wirkt, weil er noch nicht auf nationaler Ebene unter aktuellen Laborbedingungen getestet wurde. Während sich Union und SPD mit den Widersprüchen der Wirklichkeit abquälen, können die Grünen sie ignorieren. Doch ihr Realitätscheck wird kommen.

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