Martin Debes über die Linke Susanne Hennig-Wellsow.

Es war eines der zentralen Bilder des 5. Februar 2020. Susanne Hennig-Wellsow läuft im Thüringer Landtag mit einem Blumenstrauß von ihrem Platz im Plenarsaal nach vorne, zu Thomas Kemmerich, dem neuen, von AfD, CDU und FDP gewählten Ministerpräsidenten. Einen Meter vor ihm bleibt die Vorsitzende der Linke-Fraktion stehen – und wirft ihm den Strauß vor die Füße.

Der gezielte Eklat war ihre Antwort auf den fahrlässig von Union und FDP herbeigeführten Tabubruch. Und er machte Hennig-Wellsow erstmals auch außerhalb ihrer Partei bundesweit bekannt.

Dabei war die Geste typisch für Hennig-Wellsow: emotional, haltungsbewusst, aber doch in der Wirkung nüchtern kalkuliert. Die Linke schaltete bereits in der Minute der Niederlage in einen geradezu brachialen Angriffsmodus um,
um die Macht zurückzuerobern – was ja auch nur binnen eines Monats funktionierte.

Diese Frau wollte schon immer gewinnen, erst als Leistungssportlerin und später als Politikerin, wenn auch nicht um jeden Preis. Sie baute ihre Karriere gezielt auf, erweckte aber dabei nie den Eindruck, dass es ihr nur um Posten ging. Gerade deshalb ließ es ihre Linke zu, dass sie die Landespartei und die Landtagsfraktion ausnahmsweise gleichzeitig führte.

Nun will Hennig-Wellsow die Bundespartei führen, und das auch noch in ein Bundestagswahljahr. Sie hat, wie sie sagt, „Bock drauf“. Obschon ihre Chancen gut stehen, ist die Kandidatur ebenso wie das angestrebte Amt ein Abenteuer.

Die Partei dümpelt in den Umfragen und wirkt inhaltlich orientierungslos, die Bundestagsfraktion ist in mehrere Lager gespalten. Zudem hat die Linke immer noch nicht die alte, ja ewige Streitfrage beantwortet, ob sie tatsächlich im Bund regieren will.

Eine Vorsitzende aus dem Land, in dem die Partei ihren einzigen Ministerpräsidenten stellt, wäre ein deutliches Signal, dass man es diesmal ernst meint mit einer rot-grün-roten Mehrheit im Bundestag. Oder wie Henning-Wellsow sagt: „Ich weiß, wie regieren geht.“

Hennig-Wellsow wagt Kandidatur für Bundesvorsitz