Martin Debes über den Streit bei den Thüringer Grünen.

Eines muss man Dieter Lauinger lassen: Er hat Nerven. Erst nutzte der grüne Minister die Mittel und Möglichkeiten seines Amtes, um seinem Sohn eine Prüfung zu ersparen, die im Schulgesetz festgeschrieben ist. Danach sagte er in wichtigen Details die Unwahrheit und stellte, als vormaliger Richter, die Rechtslage falsch dar.

Doch trotz Untersuchungsausschuss regierte Lauinger einfach weiter. Seine Grünen hielten mehrheitlich an ihm fest, weil sie den Begriff Loyalität als Hörigkeit auslegten, weil sie seine Flüchtlingspolitik gut fanden oder weil sie den Machtkampf scheuten. Linke und Sozialdemokraten, durch die Koalitionsdisziplin gebunden, schauten teils fassungslos zu.

Ausgerechnet die Partei, die bei anderen immer so gerne besonders hohe moralische Maßstäbe anlegte, wollte sie bei sich lieber nicht verwenden. Das ist die Definition von Doppelmoral.

Hinzu kamen die politischen Kosten. Niemand vermag genau zu sagen, welchen Anteil die Affäre um Lauinger am Fast-Hinauswurf der Grünen aus dem Landtag hatte. Es darf aber als gewiss gelten, dass es diesen Anteil gab und dass er nicht gering war.

Aber, wie gesagt, Dieter Lauinger hat wirklich Nerven. Denn nachdem er erst das halbe Kabinett nebst mehreren Landesbediensteten für seine Privatangelegenheit instrumentalisierte und nachdem er seine Partei samt Koalition in Mithaftung nahm, würde er jetzt gerne Minister in einer künftigen Regierung bleiben.

Das spaltet seine Landespartei kurz nach der Wahlniederlage gleich in mehrere Teile, die jetzt der Bundesvorsitzende Robert Habeck zusammenkleben soll. Dabei hat der Mann bestimmt wichtigere Dinge zu tun, als sich um die überflüssigen Kabalen eines kleinen Landesverbandes zu kümmern.

Die Thüringer Grünen können noch so viele kluge Mitglieder und Ideen haben: So lange ihre Spitzen nicht verstehen wollen, dass es nicht zuerst um sie und ihre Ämter gehen kann, so lange werden sie jede Wahl aufs Neue zittern müssen. Und das mit vollem Recht.