Miguel Sanches mit einem Kommentar über Heimatpolitik

Es sollte sich herumgesprochen haben, dass „Heimatpolitik“ weder Folklore noch rückwärtsgewandt ist. Vielleicht wecken der Begriff und der dazugehörige Minister (Seehofer) falsche Erwartungen. In Wahrheit ist es harte Strukturpolitik, und gleichwertige Lebensverhältnisse sind ein Versprechen. Wenn es schon heute erhebliche Ungleichheiten gibt, wie die Bundesregierung einräumt, ist sie verpflichtet, sie mit jeder Entscheidung nicht noch zu vergrößern.

In letzter Konsequenz relativiert sich der Wettbewerbsföderalismus. Er hat dazu geführt, dass die Ungleichheiten nicht kleiner, sondern größer geworden sind, zwischen Land und Stadt, aber auch zwischen Regionen. Zwei Länder schöpfen bei vielen Programmen besser als andere den Rahm ab: Bayern und Baden-Württemberg. Die Heimatpolitik, die Seehofer als Selbstverpflichtung des Bundes versteht, ist ein dickes Brett. Es ist nicht selbstverständlich, dass ein Bayer daran bohrt. Wer die Strategie konsequent verfolgt, muss bei den Standortentscheidungen der nächsten zehn Jahre konsequent den Freistaat außen vor lassen und lieber anderen den Vorzug geben.

Im Prinzip muss Strukturpolitik nicht mehr Geld kosten. Sie ist eine Frage der Impulse, der gerechten Verteilung, der Ausgewogenheit. Politik ist immer auch der Kampf um die Ressourcen. Für viele Kommunen ist ein Neuanfang nur möglich, wenn ihre Altschulden getilgt werden. Das hat eine Ost-West-Komponente. Zum einen hatte man im Westen mehr Zeit, um Schulden anzuhäufen. Zum anderen hatte der Osten nach der Einheit jahrelang Priorität. Wenn die Regierung am Mittwoch ihre Empfehlungen für gleichwertige Lebensverhältnisse abgibt, darf sie sich vor der Frage der Altschulden der Kommunen nicht drücken. Die Steuereinnahmen sprudeln, die Zinsen sind niedrig. Wann, wenn nicht jetzt, kann die Entschuldung gelingen?