Axel Lukacsek über den Umgang der Sportler mit den sozialen Medien.

Am Baum des Schweigens hängt der Friede.

Das arabische Sprichwort kam Daniel Rechberger nicht in den Sinn. Umso größer war das Rauschen im medialen Blätterwald, als sich der Kicker vom FC Rot-Weiß Erfurt gedankenlos vor dem Holocaust-Mahnmal in Berlin – in lässiger Pose mit Sonnenbrille und gestyltem Haar – ablichtete und er das Bild schleunigst via Online-Plattform Instagram in die Welt hinaus sendete.

Der Selbstmitteilungsdrang im Netz kennt kein Innehalten, kein Nachdenken. Bei der atemlosen Like-Jagd hat Rechberger den Blick für das Wesentliche verloren – und musste sich für seine Pietätlosigkeit kleinlaut entschuldigen.

Dabei hat der 23-Jährige ja nur den Zeitgeist bedient. In der Social-Media-Scheinwelt wird vorgegaukelt, wie toll, wie schön, wie super alles ist. Schwächen? Gibt es nicht. Was nicht passt, wird passend gemacht – dank Fotoshop. Und wenn Stars, oder solche, die sich dafür halten, drei Millionen Follower im Rücken wissen, entsteht auch ein Gefühl der Macht.

Nur wenige Profis verzichten auf die Selbstvermarktung im Netz

Nicht alle machen diesen Zirkus mit. Jürgen Klopp zum Beispiel. Der Fußball-Trainer vom FC Liverpool ist nicht bekannt als Mann der leisen Töne. Aber als Mensch, der für Geradlinigkeit steht. Auch bei seinem Umgang mit sozialen Medien. Auf die verzichtet er nämlich. „Wenn mir jemand sagen möchte, dass er nicht zufrieden mit mir ist, dann soll er es mir sofort sagen und nicht weggehen und es in seinem Smartphone bei Facebook, Instagram oder sonst wo schreiben“, sagte Klopp dem US-amerikanischen Fernsehsender ESPN.

Der 51-Jährige hat auf diese Weise einen ziemlich einfachen Weg gefunden, auf unsachliche Kritik oder gar böswillige Kommentare zu reagieren. Er ignoriert sie einfach: „Sie können schreiben, was sie wollen, und es stört mich nicht, weil ich es nicht mitbekomme.“

Selbst die junge Generation folgt nicht immer blindlings den an vielen Stellen eher unsozialen Medien. Christoph Kramer (28) etwa. Der Fußball-Weltmeister von 2014 in Diensten des Bundesligisten Borussia Mönchengladbach sieht den einzigen Sinn jener Netzwerke darin, Geld zu verdienen und hält sich in der virtuellen Welt so gut es geht zurück.

Vereine stellen sich auf Verhalten der Spieler ein

Sich den Online-Kanälen komplett zu verschließen, ist aber gar nicht so einfach für einen in ganz Fußball-Deutschland bekannten Profi. Nationalspieler Julian Brandt (22) von Bayer Leverkusen hat sich lange gesträubt und ist hin- und hergerissen bei diesem Thema. „Dadurch, dass immer mehr über diese Plattformen läuft, hast du irgendwann keine andere Wahl. Die Leute sagen: Irgendwann musst du was machen. Spätestens, wenn du bei einer Weltmeisterschaft dabei bist, musst du das tun“, erzählte er im Herbst bei einem Fantalk.

Manche Klubs haben reagiert. Fußball-Bundesligist TSG Hoffenheim gibt seinen Spielern zumindest eine Empfehlungsliste zum richtigen Verhalten an die Hand. Beim Zweitligisten Hamburger SV haben die Profis selbst einen Strafkatalog erarbeitet. Wenn jemand Bilder aus der Kabine oder dem Mannschaftsbus postet, klingelt die Kasse.

Mit klaren Regeln hantierte einst der frühere Hockey-Bundestrainer Markus Weise (56). Seine 2012 mit olympischem Gold dekorierten Spieler, die nur auf ihr Handy starrten, bezeichnete er als Junkies – und griff durch. Vier Stunden am Tag durfte niemand Mobiltelefon oder Internet benutzen. Erstaunt stellte Weise bei einer Busfahrt fest, dass sich seine Spieler sogar von Angesicht zu Angesicht unterhalten können. Alle haben – welch Überraschung – überlebt.

Empfehlung: Erst nachdenken, dann posten

Diese Restriktion hatte durchaus einen Hintergrund. Als die vom Erfolg verwöhnten Schwimmer Australiens bei den Olympischen Sommerspielen 2012 in London mit nur einem Titel regelrecht absoffen, gab der Verband bei einer Beratungsfirma eine Studie in Auftrag. Sie sollte die Gründe für den Misserfolg erforschen. Ein wichtiger Punkt des 15 Seiten langen Papiers: Die sozialen Medien störten erheblich die Konzentration der Athleten. Ein australischer Olympia-Teilnehmer, der in der Studie anonym blieb, brachte es auf den Punkt. Er habe den Eindruck gehabt, dass es nicht darum gegangen sei, wer sich das Herz aus dem Leib schwimmt, sondern wer sein Herz am besten verkauft.

Das Fazit war damals recht einfach zusammengefasst. Die Berater empfahlen dem Verband, den Athleten im Umgang mit den sozialen Medien strikte Regeln aufzuerlegen.

Bei Facebook, Instagram und Co. gibt es Emotionen, ob nun gute oder schlechte, nämlich viel zu oft in keinem gesunden Maß. Deshalb sollten eben auch Sportler wie Erfurts Fußballer Daniel Rechberger lieber kurz nachdenken, bevor das nächste Bild in die virtuelle Welt schwirrt.

Denn: Am Baum des Schweigens hängt der Friede.