Erfurt. In seinem Podcast spricht TA-Chefredakteur Jan Hollitzer mit dem Bürgerrechtler Matthias Büchner über das Wendejahr.

Mit seinem Rauschebart war Matthias Büchner ein markantes Gesichter der Wendezeit in Thüringen. 1989 wurde er zum DDR-weiten Sprecher des Neuen Forums (NF), ab 1990 zum Sprecher in Thüringen. 1990 war er aktiv beteiligt an der Kontrolle und Auflösung der Stasi. Im Podcast von TA-Chefredakteur Jan Hollitzer erinnert er sich.

Matthias Büchner über...

...sein Interesse am RTL-Dschungelcamp: Ich hörte, dass der ehemalige DDR-Minister Krause, der für den Einigungsvertrag mit zuständig war, sich dort verlustieren will. Das will ich mir gern ansehen.

…Vorbehalte gegen die Linkspartei: Die Vorwürfe bleiben substanziell bestehen. Bodo Ramelow, den ich als Ministerpräsident in seiner täglichen Pragmatik durchaus schätze, nimmt inzwischen Abstand vom klaren Bekenntnis, dass die DDR ein Unrechtsstaat war. Die Frage ist, wohin die Linke steuert? Da gibt es ein paar Publikationen führender Linker, die man sich genauer angucken müsste. Unter Berufung auf den Italiener Antonio Gramsci ist die Rede von der Hegemonie über die Kultur und davon, dass man Grüne und Sozialdemokraten als nützliche Idioten auf dem eigenen Weg gebrauchen kann.

...zum Vorschlag einer Projektregierung zwischen Linken und CDU: Ich halte das für praktikabel. Alle müssen sich am Riemen reißen. Das tägliche politische Geschäft ist dadurch anstrengender. Für die Demokratie ist es gar nicht so schlecht. Man muss sich immer wieder um neue Mehrheiten bemühen. Es kann länger dauern, aber man kann im Wettstreit der Ideen dafür sorgen, dass bürokratische Übertreibungen einfacher gemacht werden.

...den Blockadeaufruf des Erfurter Bürgerkomitees gegen die DDR-Volkskammer am 12. 1. 1990: Noch im Dezember wurden wir aufgeschreckt durch einen Putschaufruf der Genossen der Staatssicherheit aus Gera, der nicht nur DDR-weit erging, sondern auch ins Ausland. Der richtete sich gegen den Runden Tisch und die Bürgerkomitees, die schon in allen Bezirken existierten – bis auf Berlin. Wir mussten feststellen, dass es schon einen Verfassungsschutz der DDR gab, das wurde immer bestritten. Wir berieten – und vereinbarten: Wir werden die Regierung respektive die Volkskammer zwingen, dieses illegitime Treiben zu beenden.

...die Besetzung der Stasizentrale in Berlin: Später fand ich Unterlagen, die es nahelegen, dass diese Besetzung am 15. 1. initiiert und organisiert von der Stasi selbst war. Viele Menschen, die da hingegangen sind, guten Glaubens, etwas für die neuen demokratischen Verhältnisse zu tun, wurden als Statisten missbraucht – um Zeit zu gewinnen und um das Volk an die nutzlosesten Stellen in diesem Archiv zu führen.