Für ihr Drehbuch über eine drogensüchtige Mutter im Gefängnis erhielt die Erfurterin Chiara Fleischhacker den renommierten Thomas-Strittmatter-Preis. Im Podcast erklärt die junge Mutter ihr Interesse am Thema.

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Chiara Fleischhacker ist Autorin und Filmemacherin. Die 30-Jährige wurde in Kassel geboren und lebt mit einer Tochter in Erfurt. Ein halbes Jahr verbrachte sie auf Cuba, bevor sie 2015 ein Studium an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg aufnahm. Frühe Aufmerksamkeit bekamen zwei Dokumentationen über den deutschen Strafvollzug. 2018 erhielt sie beim Thüringer Eobanus-Hessus-Schreibwettbewerb einen Hauptpreis für ihre Geschichte „Minuten“. Für ihr Drehbuch zum Sozialdrama „Vena“ über eine drogenabhängige Mutter erhielt sie 2022 den Thomas-Strittmatter-Preis. Im Gespräch mit TA-Chefredakteur Jan Hollitzer spricht sie über ihre Motivation dazu. Chiara Fleischhacker über...

...einen Preis für ein Drehbuch, zu dem der Film noch nicht erschienen ist: Jedes Jahr werden an der Filmakademie mit dem SWR oder dem ZDF ein oder zwei lange Spielfilme produziert. Die Redakteurin hat wohl das Potenzial des Filmes gesehen. Beim Drehbuch schreibt man ja erst mal drauflos, ohne zu wissen, ob es gut oder schlecht ist. Und dann kam die Einladung zur Preisverleihung.

...das Besondere am Thomas-Strittmatter-Preis: Der Preis wird anonym vergeben, das Drehbuch steht also für sich. Da wurden schon starke Filme wie „Systemsprenger“ ausgezeichnet. Es geht quer durch die Altersstufen. Ausgezeichnet werden können Nachwuchs-, aber auch erfahrene AutorInnen. Da ist es schon eine sehr hohe Auszeichnung, wenn man es für ein Diplomprojekt erhält.

Chiara Fleischhacker ist Autorin und Filmemacherin.
Chiara Fleischhacker ist Autorin und Filmemacherin. © Chiara Fleischhacker

...den Weg vom Drehbuch zum hoffentlich guten Film: Es gibt viele Faktoren dafür, dass ein Drehbuch gut umgesetzt wird. Ich habe das Drehbuch geschrieben und Regie geführt. Man sagt, ein Film entsteht dreimal: beim Drehbuchprozess, beim Dreh und beim Schnitt. Auf jeder Ebene kann man scheitern oder eben nicht. Es gab viele Hindernisse, wir vertrauen aber auf unsere Arbeit.

...den Film „Vena“: Es ist ein Porträt über eine junge schwangere Frau, Jenny, die Chrystal konsumiert, aber auch sehr liebevoll ist. Sie bekommt einen Haftbefehl und geht früher ins Gefängnis, um eine Chance auf einen Mutter-Kind-Platz zu bekommen. Letztlich wächst sie aus Ängsten heraus und baut innere Stärke auf.

...über die Länge des Filmes „Vena“: Letztlich sollte der Inhalt entscheiden. Der erste Rohschnitt war drei Stunden lang. Jetzt bewegen wir uns gerade bei 115 Minuten, taktisch klüger wären aber wohl 110 Minuten. Inzwischen habe ich den Mut, mich von gewissen Anfangsszenen zu lösen. Der Spruch „Kill your darling“ trifft hier definitiv zu.

...die frühe Lust am Schreiben: Deutschaufsätze haben mir immer Spaß gemacht, ich habe auch gern interpretiert. Analytisches ist nicht unbedingt meins. Alles, wo man Spielraum für Fantasie hat, hat mir gelegen. Drehbuchschreiben zu lernen war spannend. Man schreibt nur auf, was später auch wirklich gesehen wird.

...ihre Dokumentationen über den Strafvollzug: Ich begegnete zufällig auf einem Bauernhof Gefangenen im offenen Vollzug. Das Thema lässt mich seitdem nicht wirklich los. Weil es sehr ambivalent ist und die Außensicht sehr weit weg von dem, was da wirklich passiert. Beim Gericht in Erfurt war ich bei Prozessen mit drogensüchtige Frauen dabei. Das Verhältnis zwischen Mutterliebe und Selbstschädigung interessiert und berührt mich auch persönlich stark.