Erfurt. Im Podcast “Hollitzer trifft“ spricht Ordnungscoach Anika Schwertfeger über befreiende Wutausbrüche, zerrissene Brautkleider und die Unmöglichkeit, vor Trauerarbeit davonzulaufen.

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Wer die Dienste von Aufräum-Coach Anika Schwertfeger in Anspruch nimmt, will zwar vordergründig in Kleiderschrank, Küche oder auch der ganzen Wohnung klar Schiff machen. Oft verbirgt sich hinter diesem Wunsch nach mehr Ordnung – bewusst oder unbewusst – aber auch der, eine Veränderung im Leben herbeizuführen und dabei neben dem materiellen auch seelischen Ballast abzuwerfen.

Im neuen Podcast von TA-Chefredakteur Jan Hollitzer erzählt die aus Erfurt stammende Wahl-Berlinerin, dass es ihr Feld ist, „beim Aufräumen das Innen und Außen zu verbinden“.

Anika Schwertfeger, die 2016 zum ersten Mal von der japanischen Ordnungsfee Marie Kondo las und sich 2017 von ihr in New York ausbilden ließ, redet nicht dem Minimalismus das Wort.

Die Wirtschaftspsychologin plädiert vielmehr dafür, sich von den Dingen zu trennen, „die uns blockieren“. Das kann zum Beispiel nach einer gescheiterten Ehe das Hochzeitskleid sein, das noch immer im Schrank hängt.

Dabei, so die 32-Jährige, dürfe man auch gern mal seine Wut rauslassen. Denn viele Menschen meinten, dass sie dieses Gefühl unterdrücken müssten. Dabei sei es sehr befreiend, auch einmal wütend zu sein, sagt Anika Schwertfeger – und erzählt lachend davon, wie bei Aufräumaktionen mit ihr schon Brautkleider zerschnitten oder gar zerrissen wurden, um mit Vergangenem abzuschließen.

Überhaupt sei es oft so, dass ihre Kunden große Lebensthemen haben: Der Wunsch, neben dem Zuhause auch das eigene Leben neu zu ordnen, breche sich außer nach harten Trennungen oft auch beim Tod einer geliebten Person oder anderen Schicksalsschlägen die Bahn.

Hier spricht Annika Schwertfeger aus aus eigener Erfahrung: Ihr Vater Hans-Joachim Schwertfeger war Oberstufenleiter am Erfurter Gutenberggymnasium und 2002 eines der 16 Todesopfer beim Amoklauf an dieser Schule. Seine Tochter hat zwar alles gesammelt, was damals über dieses Ereignis veröffentlicht wurde. „Aber ich habe die Auseinandersetzung damit bestimmt zehn Jahre verdrängt.

“Mit 16 sei sie erst einmal für ein Jahr nach Neuseeland gegangen, weil sie dort niemand kannte. Erst mit Mitte 20 habe sie gemerkt, dass sie vor ihren Erinnerungen und der Auseinandersetzung mit dem Geschehenen nicht weglaufen könne – und dass sie ihrem Vater durch das Verdrängen gar keinen Raum mehr in ihrem Leben ließ. „Das war der Prozess, bei dem ich bei mir persönlich aussortiert und gemerkt habe, dass ich Dinge loslassen kann, die mich triggern.

"Danach, erzählt sie ihrem Gesprächspartner, habe sie nach langer Zeit auch wieder ein Foto ihres Papas aufstellen können.