Im Podcast „Hollitzer trifft“ spricht der Entertainer und Moderator Wolfgang Lippert über Fernsehen und Falten.

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Wolfgang Lippert hat als Sänger, Moderator und Entertainer so ziemlich alles erreicht, was möglich ist. Der Sohn eines Kapellmeisters hatte zunächst Kfz-Mechaniker gelernt und war als Fotograf tätig. Später moderierte er Mega-Shows wie den „Kessel Buntes“ im DDR- und „Wetten, dass...?“ im vereinigten deutschen Fernsehen. Die TV-Show „Glück muss man haben“ überlebte selbst die Wende.

Seit 2000 ist Lippert als Balladensänger und Schauspieler bei den Störtebeker-Festspielen in Ralswiek auf Rügen zu erleben. Nicht alles klappte. Ein Kinoprojekt in Berlin-Friedrichshagen scheiterte und führte zur Privatinsolvenz. Als wichtige Stimme Ostdeutschlands spricht er auch für die Belange diesseits der Elbe. Im Podcast von TA-Chefredakteur Jan Hollitzer äußert er sich zu Privatem, den Menschen im Osten und seine nimmermüde Bühnenlust.

In Ihrem ersten großen Hit „Erna kommt“ gibt es die Zeile „Eine Karo rauch’ ich...“, jetzt sind Sie 70 und man sieht es Ihnen nicht an, haben Sie je geraucht?

Ich habe geraucht. Für einen Sänger eigentlich ganz furchtbar. Aber ich war vermutlich nicht der einzige. Zur filterlosen Karo griffen wir allerdings nur ab und zu, wenn das Geld knapp wurde. Mit der Wende habe ich aufgehört. Seitdem komme ich die Treppe schneller hoch, habe einen besseren Geschmack und fühle mich wohler.

Also nicht, um der Faltenbildung vorzubeugen?

Davon hatte ich schon immer mehr, als man zum Alter passend haben sollte. Ich habe ganz gute Gene von meiner Mama mitbekommen. Sie wurde 101 Jahre alt und starb im letzten November. Für mich ein ganz trauriger Moment, weil ich mir ein Leben ohne sie nicht vorstellen konnte. Ihren Hundertsten haben wir groß gefeiert. Frank Schöbel hat sogar einen eigenen Text gemacht, damit sind wir mit meinem Bruder als Trio Infernale vor meiner Mutter aufgetreten.

Konnten Sie über alles sprechen?

Wir haben viel miteinander gesprochen, über die Zeit, die Politik, Geschichte. Ihre Klugheit und Souveränität waren wirklich toll.

Denkt man mit 70 ans Aufhören?

Nein. Ich bin nicht der Typ fürs Rosenschneiden und arbeite sehr gern. Den Beruf, den ich habe, kann man auch länger machen, sofern man gesund und neugierig bleibt. Ich bin sehr zufrieden mit meinem Schicksal. 70 ist schon eine Zahl. Ich bin aber ein großer Fan von Alter und habe Leute wie Peter Ustinov oder Herbert Köfer immer bewundert. Erfahrung ist eine tolle Sache, wenn man nicht aufgibt.

Sendungen wie „Ein Kessel Buntes“ oder „Damals war’s“ erfreuen sich großer Beliebtheit. Wieso ist Unterhaltung aus einem Land, das nicht mehr existiert, trotzdem noch so wichtig?

Viele Menschen haben ihre Identität verloren durch diese doch ruckartigen geschichtlichen Entscheidung und unbedachtes Handeln auf verschiedenen Seiten. Jeder hat Fehler gemacht. Niemand hatte die Möglichkeit, so etwas zu üben. Wenn ein Liebespaar sich vereint, schmust es vorher, bevor sich beide näher kennenlernen. Bei den beiden Deutschlands ging das Schmusen verloren.

Und damit im übertragenen Sinn die Neugierde auf den anderen und sein Lebensbild. Statt dessen gab es die allerdämlichsten Klischees. Ich bin kein DDR-Nostalgiker. Aber die Menschen sollen ihre Würde behalten. Erinnerungskultur wird oft den Alten zugeschoben. Ich treffe aber auch viele junge Leute, die sich interessieren. So werden Dinge in eine neue Zeit gerettet, die es nicht mehr gibt.

Zum Beispiel?

Indem man etwa feststellt, wie klug die Texte in unserer Rockmusik waren, welche tollen Leute sich da so wunderbare Gedanken gemacht haben, was da drinsteckt an Substanz. Wir waren als DDR-Leute geeicht, Subtext mitzuteilen, in Andeutungen zu sprechen. Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass die heutige Zeit doch ziemlich ungemütlich ist. In der Wende hat es viele Menschen hart getroffen. Geschichte ist auch gnadenlos. Deswegen finde ich es umso wichtiger, Achtung vor dem Menschen zu behalten, auch wenn Entscheidungen vielleicht mal falsch waren. Das ist für mich auch eine Form von Wertschätzung.

Wie erreichen Sie jüngere Generationen, findet man Sie demnächst auch auf Kanälen wie Tiktok?

Ich habe gern mit jungen Leuten zu tun und schaue auch in Richtung Youtube, Instagram oder Netflix. Wir sind dabei, drei neue Formate zu prüfen. Generationen sollten sich unbedingt was zu sagen haben, aber nicht so, dass Opa am Kamin sitzt und vom Krieg erzählt. Zu meinen schönsten beruflichen Erfahrungen gehört, eine Kindersendung moderiert zu haben und zeitgleich Abendsendungen für Erwachsene.

Wie sind Sie mit Durststrecken umgegangen?

Nach „Wetten, dass...?“ war die Fallhöhe ziemlich hoch. Danach konnte alles nur noch kleiner sein. Die Sendung „Goldmillion“ hätte ich lieber nicht machen sollen. Beim ersten Mal waren es zwölf Millionen Zuschauer, beim vierten Mal vier Millionen. Ich hätte mir da mehr Inhalt gewünscht. Es gab dann so eine Phase, eher „unerfolgreich“, wie ich das nenne. Letztlich war der Kika maßgeblich am Wiederfinden meiner Person beteiligt. Die drei Jahre mit der „Wenn. Dann. die...“ waren wieder ein Segen.

Die nächste Störtebeker-Saison in Ralswiek steht an, gibt’s Neues?

Als Ruhepausen zwischen den martialischen Darbietungen singe ich seit einigen Jahren Balladen. Der „Albatros“ von Karat gehört dazu, dieses Jahr auch Holger Bieges „Reichtum der Welt“. Das passt jetzt wunderbar zu dem, was wir erleben.

Sind Sie sauer, immer wieder auf „Erna“ angesprochen zu werden?

Ganz im Gegenteil, es hat mir so viel Glück gebracht. Ich hatte sogar mal die Idee, Erna in verschiedenen Arrangements erscheinen zu lassen. Es gibt eine Celtic Fassung davon, eine Marsch-Version, eine Rock Fassung, eine sehr coole Jazz- Fassung und sogar einen Rap.

DDR-Devisenbeschaffer Schalck-Golodkowski soll Ihnen zu DDR-Zeiten einen Peugeot beschafft haben – das war wohl Vitamin B?

Nun ja, auf dem Nachbargrundstück meines Managers stand eines Tages plötzlich eine riesen Hecke, dahinter später ein riesiges Haus. Und durch diese Hecke rief dann irgendwann mal jemand, ob ich ein Autogrammfoto für seine Frau hätte – es war Schalck-Golodkowski. Für das Foto gab er mir seine Karte, falls ich mal was brauchen sollte. Und dann hatte ich so ein Auto, sozusagen vom Nachbarn, schon verrückt, oder?