Der ehemalige Bundesbeauftrage für die Stasiunterlagen, Roland Jahn, zieht Bilanz nach zehn Jahren Amtszeit und fordert eine Debatte über die Notwendigkeit eines Ostbeauftragten.

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Zehn Jahre lang war Roland Bundesbeauftragter für die Stasiunterlagen. Als Bürgerrechtler und selbst in der DDR Verfolgter setzte er sich für die Belange der SED-Opfer ein. Am Ende seiner Dienstzeit brachte er die Reform des Umgangs mit den Stasiakten mit auf den Weg. Im Podcast mit TA-Chefredakteur Jan Hollitzer zieht er Bilanz. Roland Jahn über…

...die erste Woche im Ruhestand: Ein Ruhestand ist das ja sowieso nicht. Mein Anspruch, neugierig zu sein auf die Welt und anderen mitzuteilen, was ich sehe, begleitet mich seitdem ich als Jugendlicher Abitur gemacht habe. Diese journalistische Veranlagung bleibt.

…die Reform der Stasiarchive: Es wird nichts geschlossen. Wir haben für die dauerhafte Sicherung und Nutzung der Stasiunterlagen gesorgt. Die Errungenschaften der friedlichen Revolution werden damit Teil des gesamtdeutschen Gedächtnisses der Nation.

…Erreichtes und nicht Erreichtes: Wir sind stolz auf das Geschaffene, aber unzufrieden mit dem Erreichten. Manches hätte schneller gehen können, etwa bei den Liegenschaften. In Deutschland hemmt ein Gestrüpp von Verwaltungsvorschriften immer mal wieder eine schnellere Entwicklung, da bräuchte es insgesamt mal eine grundlegende Verwaltungsreform.

… seine Zurückhaltung in Bezug auf die Stasiverstrickung seines Jugendfreundes Rolf Beilschmidt: Ich habe natürlich eine persönliche Meinung zu bestimmten Dingen, aber ich suche dann das Gespräch. Die Akten der Staatssicherheit sind erst einmal nur beschriebenes Papier. Entscheidend ist, wie die Menschen mit ihren Einlassungen in der DDR umgehen. Hier wünsche ich mir mehr Dialog zwischen den Generationen und in den Familien.

… das schwierige Gespräch mit den Enkeln: Es ist nicht einfach, Kindern, die es gewohnt sind, offen zu leben, zu erklären, dass jemand, der seine Meinung sagt, ins Gefängnis muss. Selbst meine Mutter sagte immer, wenn ich ihr von Verhaftungen in der DDR erzählt habe, irgendwas wird schon gewesen sein. Ja, auch in der Diktatur scheint die Sonne, aber nicht für jeden. Es ist wichtig, dass wir das gerade der nächsten Generation vermitteln können.

…die Angst, die Meinung frei zu sagen: Wir haben dafür Sorge zu tragen, dass Menschen diese Angst nicht haben. Es ist nicht nur die Frage, ob jemand weggesperrt wird wie in der DDR. Heute findet die Ächtung im Internet statt. Ich wünsche mir einen respektvollen Umgang miteinander und eine Diskussionskultur, wo es nicht darum geht, wer Recht hat, sondern darum, ob man einen Erkenntnisgewinn hat.