Erfurt. Im Podcast Hollitzer trifft spricht TA-Chefredakteur Jan Hollitzer mit dem Bundesbeauftragten für Stasiunterlagen, Roland Jahn, über Frauenpower bei der Stasibesetzung und neue Ost-West-Probleme.

Seit 2011 leitet der gebürtige Thüringer Roland Jahn (Jg. 1953) die Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen. Als SED-Gegner und Bürgerrechtler gehörte er in der DDR zur Opposition. 1983 war er einer der Mitbegründer der oppositionellen Friedensgemeinschaft Jena und wurde noch im gleichen Jahr zwangsausgebürgert. Im Podcast „Hollitzer trifft“ spricht er über Zeitfragen und Persönliches. Roland Jahn über:

...Frauenpower bei der Erfurter Stasibesetzung: Diese Besetzung ist für mich nach dem Mauerfall der sichtbarste Ausdruck für die friedliche Revolution. Anfangs waren es nur Frauen, die losgegangen sind am frühen Morgen des 4. Dezember 1989 und die gesagt haben, wir wollen die Vernichtung der Akten stoppen. So viel Frauenpower hat auch die Stasi schockiert.

...seine Ausbürgerung aus der DDR: Ich wollte nicht weg, sondern wurde 1983 gewaltsam aus meiner Heimat Thüringen ausgebürgert, was mich sehr geschmerzt hat. Im Westen war ich freier, hatte demokratische Grundrechte und einen besseren Lebensstandard. Aber die Freiheit des Westens ist nur die halbe Freiheit, wenn man nicht nach Hause kann und Eltern und Freunde zurücklassen muss. Deshalb war es mir wichtig, dass die Mauer fällt und meine Zerrissenheit als rastloser Westler sich auflöst in der Vereinigung des Landes.

...die Lebensleistung der Ostdeutschen: Die Kritik am DDR-System darf nicht mit einer Abwertung von Biografien gleichgesetzt werden. Die Menschen konnten ein glückliches Leben führen. Mir geht es um den Respekt vor diesen Biografien und vor den Menschen, darum zu verstehen, warum sie wie denken und wie sie gelebt haben. Natürlich ist jeder herausgefordert, sich zum Unrechtsstaat ins Verhältnis zu setzen. Ich werde nicht die Lebensleistung eines Stasi-Offiziers würdigen, der Leute eingesperrt hat. Niemand, der sich mit der Stasi einließ, soll auf ewig verdammt sein, aber keiner soll aus seiner Verantwortung entlassen werden.

...Respektlosigkeit zwischen Ost und West: Respektlosigkeit findet auch zwischen Menschen statt, die im Osten geboren sind, und sie findet statt zwischen Menschen, die im Westen geboren wurden. Ordinär ausgedrückt: Arschlöcher gibt es überall. Es ist wichtig, dass wir im respektvollen Umgang miteinander die Grundlage dafür schaffen, dass die Frage Ost-West überflüssig wird und wir sagen können: Okay, wir haben gemeinsam eine Gesellschaft zu gestalten, packen wir es an.

...Polikliniken: Wenn es heute Ärztehäuser gibt, die wie Polikliniken funktionieren, dann heißt das für mich nicht, dass das Gesundheitssystem in der DDR besser war, sondern, dass es sich da ein Element handelt, dass in der DDR funktioniert hat und dass man nun im Interesse der Patienten wieder aufgreift.

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