Erfurt. TA-Chefredakteur Jan Hollitzer spricht im Podcast “Hollitzer trifft“ mit Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke).

Bodo Ramelow ist seit dem 4. März erneut Ministerpräsident von Thüringen. In der 30. Folge seines Podcasts spricht TA-Chefredakteur Jan Hollitzer mit dem 64-Jährigen unter anderem über das Regieren in Krisenzeiten, das Vertrauen in Politiker und die Schwierigkeit, alle Menschen mit den relevanten Informationen zu versorgen. Und er macht der Kirmes in Mühlhausen in diesem Jahr wenig Hoffnung (ab Minute 13). Normalweiser wird „Hollitzer trifft“ am Arbeitsort der Gäste aufgenommen. Doch dieses Mal fand das Treffen Corona bedingt wieder virtuell statt. Ramelow über . . .:

. . . erste Lockerungen der Corona-Beschränkungen: Es geht erstmal darum, wie wir zu einem Alltag kommen, der mit dem Virus lernt umzugehen. Jetzt glaube ich, dass langsam das Bewusstsein geschärft ist von allen Menschen in unserem Land, dass wir sogar bis jetzt noch glimpflich davongekommen sind. Wenn man zumindest mal vergleicht mit Spanien, Italien, New York oder Ecuador, um nur vier zu nennen. Da sind wir ja weit von entfernt, und da können wir wirklich auch sehr zufrieden sein. Und deswegen geht es jetzt darum, wenn wir zu Veranstaltungen kommen. Wir werden ja jetzt einiges in Gang setzen. Wir werden die Bibliotheken öffnen, wir werden die Archive öffnen, wir werden die Zoologischen Gärten öffnen, aber auch dort wieder nur die Freiluftbereiche. Und wir werden auch an all diesen Stellen wieder dafür sorgen, dass Menschen sich in einer Form auch im öffentlichen Raum bewegen können.

. . . den vermeintlichen Spaß an Verordnungen: Ich würde gerne auf all das verzichten, weil ich so viel lernen musste über die Wechselwirkung von Verordnungen und von Problemfällen, die am Ende nicht zusammenpassen, weil manche Verordnungen eben so sind, dass sie am Ende dazu führen, dass sie kontraproduktiv sind. Ich will mal ein Beispiel sagen: Wenn man 800 Quadratmeter Verkaufsfläche in eine Verordnung reinschreibt, wogegen ich inhaltlich gekämpft habe, weil es auch inhaltlich falsch ist. Die Grenze ist einfach falsch. Wir hätten 20 Quadratmeter pro Kunden reinschreiben und uns mehr über die Auflagen verständigen müssen.

. . . bundeseinheitliche Lösungen: Mir wäre lieber gewesen, wir hätten am Mittwoch in der Videoschalte ein klares gemeinsames Bekenntnis zur Mund-Nasen-Schutzbedeckung abgegeben. Aber es war Bayern, die gesagt haben: Nö. Es waren die Bayern, die als Erstes nach der Videoschaltung uns unter Druck gesetzt haben, in dem sie gesagt haben: Wir machen es. Und dann sage ich: So, wenn Bayern es jetzt macht, wenn Sachsen es jetzt macht, dann kann ich mir in Thüringen nicht erlauben, dass wir es nicht machen.

. . . die Ministerpräsidentenwahl, die wegen einer möglichen Corona-Infektion auf der Kippe stand: Mario Voigt (CDU-Fraktionschef), Benni Hoff (Staatskanzleichef; Anm. d. Red.) und ich saßen an dem Abend zusammen und warteten und starrten. Jeder hatte sein Handy vor sich liegen, und jeder starrte darauf, wann die Meldung von Volker Emde kommt, ob positiv oder negativ. Voigt war dann der Erste, bei dem das Handy geklingelt hat und bei mir als Zweiter. Voigt hatte Emde dran, und ich hatte die Gesundheitsministerin dran. Und dann hätten sie aber ganze Steinbrüche hören können, die von Herzen gefallen sind. Ich möchte mir lieber das andere Szenario gar nicht vorstellen. Und ich darf auch ganz ehrlich sagen: Ich kann mich fast nicht mehr erinnern, wie die Tage davor waren.

. . . sein Verhältnis zu Kurzeitregierungschef Thomas Kemmerich: Die seltsam kuriose Situation ist, dass das Erste, was ich gemacht habe, als ich Ministerpräsident wurde, die Firma von Herrn Kemmerich zuzumachen (eine Friseurkette wegen Corona; Anm. d. Red.). Deswegen war es mir auch wichtig, mit Herrn Kemmerich über all diese Dinge vorher zu reden, auch gemeinsam zu reden. Und wir haben geredet. Wir haben über das geredet, was im Landtag passiert ist. Wir haben geredet über die Dinge, ob er gewusst hat, was die AfD macht und ähnliches. Darüber haben wir uns menschlich offen, klar und fair ausgetauscht.

. . . den geplanten Neuwahltermin im April 2021 und ob dieser weiterhin steht: Ja, aber das ist für mich alles in weiter Ferne. So, wie die Woche vor Corona in weite Ferne gerückt ist und der Monat davor sowieso. Die Kemmerich-Zeit als Ministerpräsident ist für mich, als wenn es eine Erinnerung an irgendwas Fernes aus irgendeinem Buch wäre.

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