Erfurt. Jan Hollitzer spricht im Podcast mit Volkhard Knigge, dem scheidenden Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora.

Der gebürtige Bielefelder Volkhard Knigge leitet seit 1994 die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora für die ehemaligen Konzentrationslager sowie für das Speziallager. TA-Chefredakteur Jan Hollitzer spricht im Podcast mit dem 64-Jährigen, der im April in den Ruhestand geht.

Überlebende: Es ist für mich schön, mit ihnen zu reden, von ihnen zu lernen. Und es ist ein großes Wunder, ihre Menschenfreundlichkeit zu spüren, obwohl sie selbst Anti-Menschlichkeit erlebt haben und alle Gründe für Misstrauen hätten – vor allem auch gegenüber uns Deutschen. Man erfährt, dass sie dem menschenverachtenden Hass, dem Tode, der Verfolgung nicht das letzte Wort geben wollen.

Die Arbeit in einer KZ-Gedenkstätte: Man kann sich professionalisieren wie man will – manchmal reißt es einem den Boden unter den Füßen weg. Wenn man auf dem Ettersberg ist und weiß, dass auf diesem kleinen Fleckchen Erde 270.000 Menschen aus dem Menschsein herausgestoßen wurden und 56.000 ihr Leben gelassen haben.

75 Jahre danach: Das wirklich Unerträgliche ist die hartnäckige Aufklärungsresistenz in der Gegenwart – auch in Thüringen. Es betrübt mich sehr, dass destruktive politische Gifte trotz historischer Erfahrungen versprüht werden. Und es ist schlimm, dass wir Leugner und Relativierer haben. Denen kann ich aber mit Fakten kommen. Nicht auszuhalten sind die Bekenner. Und schlimm ist die erschütternde Verrohung, es gibt mittlerweile sogar einen rechtsradikalen Gedenkstätten-Tourismus.

Junge Leute: Sie sind sehr sachorientiert. Wir agieren nicht mit erhobenem Zeigefinger, Erinnerungskultur darf nicht moralisierend sein. Junge Leute interessieren sich dafür: Wie konnte es dazu kommen und unter welchen gesellschaftlichen Bedingungen? Gedenkstätten sind dabei Orte mit Kraft, wir können durch sie Kippelnde erreichen.

Sowjetische Speziallager: Es gab lange nur eine Legende – und wir haben es als unsere Aufgabe angesehen, diesbezüglich zu forschen. Zum Glück haben wir bei unserer Arbeit Unterstützung erhalten, bekamen unter anderem von russischen Kollegen Akten geliefert, die die Internierung deutlich gemacht haben. Das war damals eine Probe mit der Auseinandersetzung der historischen Genauigkeit.

Rechtes Denken: Dass es noch mal so mächtig werden würde, einer Partei im Bundestag eine Fassung gibt, hätte ich mir nicht vorstellen können. Insofern bin ich froh über die zivilgesellschaftliche Empörung nach der Wahl im Februar in Thüringen, darüber, dass wir den Anti-Demokraten keinen Spielraum lassen. Denn Grundwerte der Demokratie hatten immer Gültigkeit, die AfD hat sie gebrochen.

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