Erfurt. Kleinkläranlagen, Straßenausbaubeiträge, Mitbestimmung: Vor der Landtagswahl muss noch einiges geregelt werden.

In einem knappen halben Jahr wird der Landtag neu gewählt. Das heißt, die Zeit für den Gesetzgeber wird knapp. Denn alles, was nicht von den Abgeordneten bis zur letzten Sitzung im Herbst verabschiedet worden ist, fällt der sogenannten Diskontinuität anheim. Oder einfacher formuliert: Es landet im Papierkorb.

Und so hat der Schlussverkauf dieser Wahlperiode begonnen. Alles muss raus. In der Mai-Sitzung des Landtags werden in dieser Woche ein halbes Dutzend Gesetze der rot-rot-grünen Koalition verabschiedet, derweil etliche Entwürfe der Opposition abschließend abgelehnt werden.

Zudem berät das Parlament einige Gesetze in erster Lesung. Für sie stehen in der Regel noch Ausschussberatungen und Anhörungen an, bevor dann, bis auf wenige Ausnahmen, nach der zweiten Lesung das finale Votum folgt.

Und dies sind die Gesetze, die diese Woche zur Verabschiedung anstehen:

Personalvertretungsgesetz: Der im Haus von Innenminister Georg Maier (SPD) erarbeitete Entwurf regelt die Mitbestimmung der rund 100.000 Beschäftigen im öffentlichen Dienst von Land und Kommunen. Vor allem die kommunalen Arbeitgeber hatten zuletzt mächtig dagegen getrommelt und „sozialistische Geschenke“ kritisiert. Das Gesetz, hieß es, führe zu einer übermäßigen finanziellen Mehrbelastung, die die Verwaltung lähme. Genützt hat das Aufbegehren wenig. Den Personalräten soll künftig die Mitbestimmung in allen personellen, sozialen, organisatorischen oder sonstigen innerdienstlichen Maßnahmen eröffnet werden. Damit müssen Arbeitnehmer bei Abmahnungen, der Zuweisung anderer Räume und Tätigkeiten oder Ausschreibungen früher und umfangreicher informiert werden.

Wassergesetz: Die Novelle der grünen Umweltministerin Anja Siegesmund wurde allen voran vom Bauernverband wegen zu breit angelegter Schutzstreifen zu Lasten der Bewirtschaftung der Ackerflächen abgelehnt. Inzwischen sind die Regelungen durch ein laut Ministerium bundesweit einmaliges Optionsmodell entschärft worden, das außerorts Gewässerschutz und landwirtschaftliche Nutzung kombinieren soll: Der Landwirt kann künftig wählen, ob er den gesamten 10-Meter-Streifen als Ackerland nutzt und auf jeglichen Chemie-Einsatz verzichtet. Oder ob er die ersten 5 Meter am Gewässer dauerhaft begrünt - dann können die anderen 5 Meter ohne Einschränkung bewirtschaftet werden. Zudem werden 20 Gewässerunterhaltungsverbände gegründet. Darüber hinaus sieht das Gesetz die Verpflichtung zur öffentlichen Abwasserentsorgung für alle Siedlungsgebiete mit mehr als 200 Einwohnern vor. Dort wird es keine Kleinkläranlagen mehr geben. Dazu hatte das Ministerium einen „Abwasserpakt“ mit dem Gemeinde- und Städtebund geschlossen worden.

ThürTierNebG: Das „Thüringer Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz und die Anpassung veterinär- und lebensmittelrechtlicher Vorschriften an die Verordnung über amtliche Kontrollen“, wie es ausgesprochen heißt, dürfte ohne größere Debatten verabschiedet werden. Das Gesetz muss an geändertes Bundesrecht angepasst werden.

Versammlungsgesetz: Der Entwurf dürfte abgelehnt werden, er wurde von der Oppositionsfraktion CDU eingebracht. Schon nach der ersten Lesung des Gesetzes Anfang Februar weigerten sich die Mehrheitsfraktionen von Linke, SPD und Grüne das Vorhaben im zuständigen Innenausschuss zu debattieren – und lehnten die übliche Überweisung ab.

Dabei will die CDU im Grunde das, was auch Rot-Rot-Grün will: Rechtsextremisten erschweren, kommerzielle Konzerte als politische Veranstaltungen zu deklarieren. Zudem sollen bestimmte Tage wie der Hitler-Geburtstag und bestimmte Orte wie NS-Gedenkstätten für Demonstrationen gesperrt werden. Doch vor allem Linke äußerten verfassungsrechtliche Bedenken. Das Versammlungsrecht werde damit für alle zu stark eingeschränkt. Sie hatten zuvor bereits eine ähnliche Initiative von Innenminister Georg Maier (SPD) verhindert.

Sondervermögensgesetz: Der Gesetzentwurf von Finanzministerin Heike Taubert (SPD) zum sogenannten Sondervermögen im Wasser- und Abwasserbereich wird heute ohne großen Streit beschlossen werden. In dem Fonds hatte das Land seit 2005 Jahr für Jahr die Schulden geparkt, die es aufnahm, um Kommunen und Zweckverbände zu entschädigen. Die Zahlungen waren nötig, weil die damalige CDU-Alleinregierung die Wasserbeiträge abgeschafft und die Abwasserbeiträge gekappt hatte, um Haus- und Grundbesitzer zu entlasten. Trotz Tilgungen liegt der Schuldenstand in dem Topf bei 350 Millionen Euro.

Das Gesetz macht hier nun einen Deckel drauf: Die jährlichen Tranchen dürfen nicht mehr über Sonderkredite finanziert werden, sondern müssen aus dem Haushalt kommen, so wie es schon im vergangenen Jahr der Fall war.

Glücksspielgesetz: Dass das Land mit Lotto Geld verdient, empfinden nicht wenige Menschen als Skandal, auch wenn die Profite an mehr oder minder sinnhafte Projekte von Vereinen oder Kommunen gehen. Feste Empfänger sind der Landessportbund und Wohlfahrtsverbände. Die Koalitionsfraktionen regeln nun in einer Novelle des Glücksspielgesetzes, dass die Erlöse aus dem neuen 10-Euro-Los namens „Grünes Herz“ an die hiesige Stiftung Naturschutz und den Landesverband der Gartenfreunde fließen. Zudem soll erlaubt werden, Lose mit einem sogenannten Lotto-Mobil zu vertreiben. Die Verabschiedung des Entwurfs gilt als Formsache.

Musikschulen-Gesetz: Diesen Entwurf hat die AfD-Fraktion eingebracht. Das Gesetz soll die Anerkennung und Finanzierung der 25 Musikschulen in Thüringen regeln, nachdem wegen eines Verfassungsgerichtsurteils zum kommunalen Finanzausgleich das Land seit mehr als 10 Jahren keine zweckgebundenen Zuschüsse mehr geben durfte. Die rot-rot-grüne Mehrheit lehnt die Initiative ab, gibt aber gleichzeitig mehr Geld. Bereits zu Jahresbeginn kündigte die Regierung an, im Etat für 2020 drei Millionen Euro zur Verfügung zu stellen, wobei die Schulen jetzt als Projekte gefördert werden. Die Mehrheitsfraktionen haben angekündigt, diese Summe auf fünf Millionen Euro zu erhöhen.

Krankenhausgesetz: Es sollte in dieser Woche vom Parlament verabschiedet werden. Aber gestern flog es von der Tagesordnung. Bereits zuvor war die Abstimmung mehrfach verschoben worden, weil in der Koalition über die bundesweiten Qualitätsvorgaben für Kliniken gestritten wurde. Die Standards wurden vom Gemeinsamen Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen erarbeitet und bislang von Thüringen übernommen. Das Gesetz von Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke) sieht aber vor, diesen Automatismus zu streichen. Mittlerweile konnte sich Rot-Rot-Grün zwar auf einen Änderungsantrag einigen, aber nun machte die CDU-Fraktion von ihrem Minderheitenrecht Gebrauch und beantragte eine Anhörung.

Erstmals beraten wird der Gesetzentwurf zu den Straßenausbaubeiträgen, die rückwirkend zum 1. Januar 2019 abgeschafft werden sollen. Die dafür notwendige Änderung des Kommunalabgabengesetzes wird von den Koalitionsfraktionen eingebracht und grundsätzlich von der oppositionellen CDU mitgetragen, wobei es nach wie vor Streit im Detail gibt. Auch das Fusionsgesetz der Koalitionsfraktionen, mit dem sich die kreisfreie Stadt Eisenach mit dem Wartburgkreis zusammenschließen soll, dürfte die Unterstützung der Union finden.

Auf der Tagesordnung steht noch die erste Lesung der Reform des Seniorenmitwirkungsgesetzes, mit dem unter anderem Ministerin Werner die Kommunen verpflichten will, Seniorenbeiräte und Seniorenbeauftragte einzusetzen. Bisher können die Kommunen hier noch frei entscheiden.

Ansonsten: Das Pass- und Personalausweisgesetz muss an bundesgesetzliche Regelungen angepasst werden und die AfD will – etwas verspätet – per Gesetz verhindern, dass Landräte und Bürgermeister bei Kommunalwahlen nur zum Schein für die Kreistage und Stadträte kandidieren. Und, im Juni steht dann die umstrittene Verabschiedung des Haushalts für das nächste Jahr an.

Wie gesagt: Alles muss raus.

Thüringen muss sich auf weniger Einnahmen einstellen