Erfurt. Der Landesverband Thüringen fordert deshalb ein Geburtshilfestärkungsgesetz, um die Arbeitsbedingungen in den Kreißsälen zu verbessern.

Die Arbeitsbedingungen für Hebammen in den Kreißsälen sind so schlecht, dass Hebammen im Schnitt nach nur sieben Jahren aus dem Beruf ausscheiden: „Viele reduzieren zuerst ihre Stellen, gehen dann in die Freiberuflichkeit und schließlich – oft nach einem Burnout – ganz aus dem Beruf“, weiß Annika Wanierke, 1. Landesvorsitzende des Hebammenlandesverbandes Thüringen.

Weil das aber die personelle Situation in den Kreißsälen weiter verschärft und letztlich die Versorgung mit Hebammenleistungen gefährdet, fordert der Verband ein Geburtshilfestärkungsgesetz – ähnlich dem Pflegepersonalstärkungsgesetz. „Wir wünschen uns im Kreißsaal eine 1:1-Betreuung“, sagte Wanierke an einem Infostand, den der Verband am Samstag anlässlich des Internationalen Hebammentages auf dem Erfurter Anger aufgebaut hatte. „Das ist gut für die Gesundheit von Mutter und Kind, senkt die Interventions- und die Kaiserschnittrate und sorgt auch für zufriedene Hebammen.“ Derzeit betreuten Hebammen bis zu fünf oder sechs Frauen unter der Geburt parallel, auf jede Hebamme kämen pro Jahr doppelt so viele Geburten wie im europäischen Ausland.

Appell ans Land

Entlastet werden müssten Hebammen zudem von berufsfremden Tätigkeiten wie Telefon- und Putzdienst oder dem Auffüllen von Material, um sich auf die Gebärenden konzentrieren zu können. „Wir denken, dass viele Kolleginnen, die jetzt in Teilzeit arbeiten, bei besseren Arbeitsbedingungen zu Vollzeit wechseln würden und es dann auch weniger unbesetzte Stellen gäbe“, betonte Wanierke im Gespräch mit Thüringens Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke) und Landtagsabgeordneten.

An die Adresse des Landes richtete sie den Appell, den Runden Tisch „Geburt und Familie“ weiterzuführen, Geburtshäuser und Hebammenpraxen mit Geburtshilfe institutionell zu fördern und die Versorgung mit Hebammenleistungen zu planen und sicherzustellen. „Dazu gehört, etwa alle zwei Jahre eine Statistik zu erstellen und die Zahl der Geburten und die der Hebammen übereinander zu legen. Denn wir brauchen Zahlen, damit wir zuverlässig wissen, wie viele Kolleginnen als Hebammen arbeiten und wie hoch der Bedarf tatsächlich ist.“

Verband stößt mit seinen Forderungen auf offene Ohren

Die Thüringer Landesregierung werde aber auch für die Umsetzung der Akademisierung der Hebammenausbildung gebraucht, die nach einer EU-Richtlinie bis zum 18. Januar 2020 reformiert sein muss. Annika Wanierke: „Da sind wir in Thüringen zwar auf einem guten Weg, in Jena gibt es einen Modellstudiengang, die ersten Bachelorstudenten sind inzwischen fertig.“ Aber zum einen müssten die Mitarbeiter der Hebammenschule in Erfurt endlich Klarheit über ihre Zukunft haben, zum anderen sollten auch berufserfahrene Hebammen die Chance bekommen, den Bachelor in einem sogenannten nachträglichen Titelerwerb zu erlangen, um einen anderen Status den Ärzten gegenüber zu haben.

Bei der Gesundheitsministerin stieß der Verband mit seinen Forderungen auf offene Ohren – wie auch in der Vergangenheit schon. Der gemeinsame Runde Tisch hat bereits mehr Ausbildungsstellen, das Hebammen-Studium und die Online-Hebammen-Suche auf den Weg gebracht. Im kommenden Jahr sollen die Haushaltsansätze, die schon von 50.000 auf 500.000 Euro aufgestockt worden waren, noch verdoppelt werden, kündigte Werner an.