Erfurt. Eine Mehrheit für die Einlage der Kowo in die Stadtwerke zeichnet sich ab. Bausewein will sich bei Niederlage mit dem Stadtrat anlegen.

Ausgerechnet mitten im Wahlkampf soll der Stadtrat heute eine zentrale Entscheidungen fällen: Wird die Kowo in die Stadtwerke eingelegt, um den Schulbau zu finanzieren? Im Vorfeld schlagen die Emotionen hoch. Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD) kündigte bereits an, im Falle eines negativen Votums dem Stadtrat Macht entziehen zu wollen.

Wichtige Fragen und Ansichten fassen wir hier zusammen.

Worum geht es?

Zusätzlich zu den im Doppelhaushalt eingeplanten Schul-Investitionen von 55 Millionen Euro werden zur Umsetzung des inhaltlich unumstrittenen Schulnetzplans rund 100 Millionen Euro benötigt – für Neubauten und Erweiterungen. Da die vorhandenen Schulen zudem oft marode sind, werden weitere 475 Millionen Euro für die Sanierungen veranschlagt. Details der Summen sind umstritten, nicht aber die Dimension. Nach Ansicht von Bausewein und der Stadtrats-Mehrheit lassen sich diese Summen nicht aus dem Haushalt begleichen, wenn das Schulbauprogramm halbwegs zeitnah umgesetzt werden soll.

Was ist der Plan?

Eine Arbeitsgruppe aus Verwaltung, Bildungspolitikern und Eltern suchte jahrelang nach Lösungen. Die Intention, die Schul-Finanzierung vom aktuellen Stadtrat langfristig festzuzurren, ist bereits gescheitert: Weil der Haushalt noch nicht genehmigt ist, kann noch kein Nachtragshaushalt beschlossen werden. Bauseweins Vorlage zur Kowo-Einlage entspricht eher einer Absichtserklärung. Der geplante Eigenbetrieb Schulen wird noch nicht gegründet.

Doch sollen als Grundstock durch den Verkauf von Grundstücken an die Kowo 30 Millionen Euro an die Stadt fließen, durch die Einlage der Kowo in die Stadtwerke über mehrere Jahre 40 Millionen Euro. Die Stadt-Töchter finanzieren diese Summen über Kredite – was der Stadt selbst unmöglich ist, weil ihr Kreditrahmen als erschöpft gilt. Die 40 Millionen stellen 5 bis 10 Prozent des Kowo-Wertes dar und sind ein Betrag, den die Stadtwerke laut ihrem Chef Peter Zaiß stemmen können.

Wer ist dafür?

SPD und CDU tragen die Pläne mit. Auch einzelne Abweichler aus den Reihen der Linken und Bunten werden erwartet. Die Mehrheit dürfte damit stehen.

Die SPD geht mit Änderungsanträgen auf die Sorgen der Kowo-Mieter ein: Die Anträge schließen Mieterhöhungen auf Grundlage der Kowo-Einlage sowie eine Weiterveräußerung aus, machen eine Rückübertragung der Anteile möglich und garantieren den Mitarbeitern konstante Arbeitsverhältnisse.

Die CDU will zunächst nur den ersten Schritt mitgehen – 25 Prozent der Kowo sollen laut ihrem Antrag an die Stadtwerke übergehen. Die Erlöse sollen zudem für den Eigenbetrieb Schulen gebunden werden. Allerdings kritisiert die CDU die Verwaltung dafür, die Gründung des Eigenbetriebs nicht längst auf den Weg gebracht zu haben.

Wer ist dagegen?

Die Linken, Grünen und Bunten sind mehrheitlich gegen das Kowo-Modell. Sie befürchten, dass die Unternehmen über Gebühr mit Risiken belastet werden und dass deshalb sogar die Mieten bei der Kowo steigen könnten. Sie vermissen zudem eine mit Zahlen und Fakten versehene Vorlage, die mögliche Konsequenzen der Transaktion nachvollziehbar macht. Die Linken haben 21 Fragen gestellt, die bis Ende August beantwortet werden sollen. Sie fordern zudem zusätzliches Personal im Planungsstab der Verwaltung und halten das Kowo-Modell für einen nicht zulässigen Haushaltsvorgriff. Die Grünen kritisieren die Vorlage als „Blanko-Scheck“ für Bausewein.

Was schlagen sie vor?

De Linken wollen erst mal mit den beschlossenen Haushaltsmitteln zu bauen anfangen und später weiter nachdenken. Gegebenenfalls komme ein Verkauf der Erfurter Bahn an das Land in Frage. Sie wollen zudem die Verwaltung beauftragen, nach anderem Geld zu suchen.

Die Grünen legen einen Vorschlag vor, der im Kern aus Kreditaufnahmen von bis zu 25 Millionen Euro im Jahr besteht. Der Beteuerung von Finanzdezernent Steffen Linnert (SPD), der Kreditrahmen sei erschöpft, schenken sie mit den Verweis auf Ausnahmen für „Pflichtaufgaben“ keinen Glauben. Zudem sollen nicht umgesetzte, aber eingeplante Investitionen aus allen Bereichen für künftige Schulbaumaßnahmen zurückgelegt werden, was einem Zufallsprinzip entspricht. Freie Wähler und FDP wollen sich den Vorschlägen anschließen.

Was erwidert der OB?

Bausewein wirft den Kritikern vor, gegen besseres Wissen und aus Wahlkampftaktik mit der Angst der Kowo-Mieter zu spielen. Die Gegenvorschläge seien „völlig absurd“. Zusätzliche Planer seien bereits eingestellt. Die verlangten Zahlen seien durch die Diskussionen bekannt und entsprächen einer Lösung, welche die wenigsten Schmerzen verursache. Schlimmere Alternativen seien etwa eine Grundsteuererhöhung um 200 Prozentpunkte, der Verkauf von Kowo- oder Stadtwerke-Anteilen oder extreme Kürzungen bei freiwilligen Aufgaben.

Bausewein kündigte an, im Falle eines Negativ-Votums rechtliche Schritte prüfen zu wollen. Auf Nachfrage deutete er an, künftig Stadtratsbeschlüsse, die mit Ausgaben verbunden sind, beanstanden zu wollen.

Und die Kowo-Mieter?

Das Bürgerbegehren gegen die Kowo-Einlage läuft. Die Mieter brauchen 7000 Unterschriften, um einen Bürgerentscheid zu erzwingen. Bausewein will es im Zweifelsfall auf diese stadtweite Abstimmung ankommen lassen, die endgültig über den Kowo-Deal entscheiden könnte.

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