Moskau/Berlin. Russland gehen die Soldaten aus. Weil sich viele Wehrpflichtige dem Militärdienst entziehen, greift der Kreml zu drastischen Maßnahmen.

Sie fallen kaum auf, sind im Moskauer Stadtbild aber sehr präsent: Kameras mit Gesichtserkennung, die wie in anderen Großstädten eigentlich dazu dienen sollen, Verbrechen aufzuklären und Bürgerinnen und Bürgern ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. In Moskaus Metro ist es sogar möglich, mittels Gesichtserkennung Fahrscheine zu kaufen.

Auf Anordnung des Kreml haben die Moskauer Behörden nun begonnen, die Kameras zweckzuentfremden. "Moskaus Videoüberwachungssysteme werden genutzt, um den Wohnsitz eines Wehrpflichtigen zu ermitteln", zitiert die russische Nachrichtenagentur Tass den Chef der Einberufungsbehörde, Maxim Loktew. Potentielle Rekruten können mithilfe der Gesichtserkennung schnell geortet werden. Die Maßnahme ist ein weiterer Schritt zur digitalen Totalüberwachung aller kriegsdiensttauglichen Russen.

Militärdienst im Ukraine-Krieg: Wer sich entziehen will, wird hart bestraft

Weil es bisher relativ leicht war, sich dem Militärdienst zu entziehen, hat Russlands Präsident Wladimir Putin gerade eine Gesetzesänderung unterschrieben, die bei der Bevölkerung für große Verunsicherung sorgt. Künftig müssen Einberufungsbescheide nicht mehr persönlich überreicht werden, sondern können auf elektronischem Weg zugestellt werden.

Der Bescheid gilt auch dann als zugestellt, wenn der Adressat die Benachrichtigung nicht öffnet oder sogar löscht. Wer nicht reagiert, muss zudem mit empfindlichen Strafen rechnen, von Fahrverboten bis hin zum Verbot Darlehen oder Kredite aufzunehmen. Online erfasste Wehrpflichtige dürfen zudem Russland nicht verlassen.

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Tausende Russen aus Angst vor Militärdienst geflüchtet

Viele russische Bürger befürchten angesichts der hohen eigenen Verluste und der drohenden Frühjahrsoffensive der ukrainischen Armee eine weitere Mobilisierungswelle. Putin-Sprecher Dmitri Peskow hat dies bisher abgestritten. Auch würden eingezogene Männer nicht an die Front geschickt.

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Aus Angst vor einer Einberufung haben seit Beginn des russischen Angriffskrieges im Februar 2022 Zehntausende junge Männer Russland verlassen. Die meisten zog es in Nachbarstaaten wie Kasachstan oder Georgien, aber auch in die Türkei. Mittlerweile gibt es Anzeichen dafür, dass mehr Russen auch Deutschland ansteuern, um dort einen Asylantrag zu stellen. Wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) am Montag mitteilte, stellten 2021 genau 1.438 Russen einen Asylantrag, 2022 waren es dann nahezu doppelt so viele, nämlich 2.851. Und allein von Januar bis März waren es schon 2.381 – fast so viele wie im gesamten vergangenen Jahr.

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