Kiew. Der ukrainische Staatschef ist stolz auf seine Eltern. Sie leben 100 Kilometer von der Front entfernt und sorgen sich um ihren Sohn.

Als einige Telegram-Kanäle kurz vor dem Beginn der russischen Invasion in der Ukraine am 24. Februar 2022 darüber berichteten, dass die Eltern von Wolodymyr Selenskyj das Land verlassen haben sollen, war die Reaktion von Oleksandr eindeutig. „Welches Ausland? Ich arbeite und lebe hier, warum soll ich mein Zuhause verlassen? Das ist alles Quatsch“, sagte der Vater des Präsidenten gegenüber ukrainischen Medien. „Wir würden lieber in der Ukraine sterben. Die Leute, die solchen Unsinn verbreiten, sollten eher Schützengräber vorbereiten, um die Ukraine zu verteidigen.“

Das Zuhause von Oleksandr Selenskyj, inzwischen 75 Jahre alt, ist nicht etwa Kiew – obwohl sein Sohn es gerne gesehen hätte, wenn der Vater in die Hauptstadt gezogen wäre. Wie Wolodymyr ist Oleksandr Selenskyj in Krywyj Rih geboren – einer großen Bergbau- und Industriestadt in der Südzentralukraine mit rund 600.000 Einwohnern, inzwischen rund 100 Kilometer vom von Russland aktuell besetzten Gebiet entfernt. Die Heimatstadt der Familie Selenskyj wird oft zum Ziel des russischen Raketenbeschusses. Erst am 13. Juni erreichten russische Raketen ein fünfstöckiges Wohngebäude in Krywyj Rih. Mindestens 13 Menschen kamen dabei ums Leben.

Wolodymyr Selenskyj: Die Mutter fragt ihn immer „ob ich schon gegessen habe“

Trotzdem bleibt Oleksandr Selenskyj zusammen mit seiner Frau Rymma, drei Jahre jünger als ihr Mann, vor Ort in Krywyj Rih – in einer nicht besonders schicken Vier-Zimmer-Wohnung aus der Sowjetzeit, in der viele Plakate aus der Schauspielerzeit des Wolodymyr Selenskyj zu sehen sind.

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„Von den ersten Kriegstagen an sagt mir mein Vater, dass die Russen Null Chancen haben“, erzählte der ukrainische Präsident in einem vom Journalisten Dmytro Komarow zum Jahrestag des russischen Angriffskrieges gedrehten Dokufilm. „Sie sind zu Hause und sehen alles, was passiert. Natürlich machen sie sich Sorgen um mich. Und meine Mutter stellt mir natürlich immer die gleiche Frage: Wie es mir geht und ob ich schon gegessen habe.“

Der Großvater von Präsident Selenskyj diente in der Roten Armee

Semen Selenskyj, der Vater von Oleksandr und Großvater von Wolodymyr, diente während des Zweiten Weltkriegs in der Roten Armee und bekam für seinen Beitrag gleich zwei Orden des Roten Sterns. Semens Vater und drei seiner Bruder wurden als Juden im Holocaust getötet.

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Der 75-jährige Oleksandr Selenskyj ist in der Ukraine ein bekannter Mann. Nicht nur als Vater des Präsidenten, sondern als prominenter Wissenschaftler. Er ist Professor an der Wirtschaftsuniversität von Krywyj Rih, wo er den Lehrstuhl für Informatik und Informationstechnologien leitet, und seit 2003 Doktor der technischen Wissenschaften. Er veröffentliche eine Reihe beachteter Publikationen und spezialisierte sich dabei auf Entwicklung von Informationssystemen zur geologischen Unterstützung der Verwaltung von Bergbaubetrieben. Zumindest in Krywyj Rih war Wolodymyr Selenskyj trotz seiner Fernsehkarriere lange eher als Kind von Oleksandr und nicht umgekehrt bekannt.

Eltern von Selenskyj: Fast ihr gesamtes Leben verbrachten sie in Krywyj Rih

Auch Selenskyjs Mutter Rymma, ebenfalls jüdischer Abstammung, war im technischen Bereich tätig. Sie hat rund 40 Jahre hat sie als Ingenieurin gearbeitet. Fast die gesamte Lebenszeit haben Oleksandr und Rymma in Krywyj Rih verbracht, bis auf einen kleinen dienstlichen Abstecher von Oleksandr in der Mongolei für ein paar Jahre.

Wolodymyr Selenskyj ist stolz auf seine Eltern, die trotz des öffentlichen Interesses sehr selten Interviews geben – auch weil sie in ihrer Heimatstadt eine perfekte Reputation haben. „Die Eltern sind für die mich die wichtigsten Menschen überhaupt“, sagt der ukrainische Präsident, der ständig darauf verweist, dass sein Vater eine ganze Generation von Wissenschaftlern ausgebildet hat.