Moskau. Offiziell will Erdogan in Sotschi die Rückkehr zum Getreide-Deal mit Kiew erreichen – doch Putin hat andere Pläne für die Türkei.

Spannungsfrei ist das türkisch-russische Verhältnis ganz gewiss nicht. Jüngst verärgerte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan seinen russischen Amtskollegen Wladimir Putin mit der Aussage, die Ukraine gehöre in die Nato. Anfang Juli war der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auf Staatsbesuch in der Türkei – und durfte das Land in Begleitung von fünf ukrainischen Kommandeuren verlassen. Diese sollten eigentlich als Kriegsgefangene bis Ende des Krieges dort interniert werden, so war es vereinbart. Die Ausreise in die Heimat war ein Affront für Putin.

Nun besucht Erdogan die Stadt Sotschi am Schwarzen Meer. Hauptthema des Gespräches mit Putin: das vorerst ausgesetzte Getreideabkommen mit der Ukraine. Offiziell versucht die Regierung in Ankara, Putin zu einer Rückkehr zu dem bis Juli mehrfach verlängerten Abkommen zu bewegen, das der Ukraine gefahrlos den Export seiner Getreideernte über seine Häfen ermöglicht.

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Wenige Stunden vor dem Treffen in Sotschi hatte Russland erneut eben diese Häfen mit Drohnen angegriffen. „Der wichtigste Schritt, den alle in den türkisch-russischen Beziehungen heute beobachten, ist der Getreide-Korridor“, sagte Erdogan in einer vorab in Istanbul verbreiteten Mitteilung. „Ich denke, die Botschaft bei der Pressekonferenz wird ein sehr wichtiger Schritt, besonders für die weniger entwickelten Staaten in Afrika.“ Die brauchen dringend Getreidelieferungen.

Putin hat kein Interesse an Wiederaufnahme des Getreide-Deals

Doch Russland hat nur wenig Interesse an einer Wiederbelebung des Abkommens. Konnte das Land doch nach der Aussetzung seine Getreideexporte auch nach Afrika extrem steigern. Im August verschiffte man 6,4 Millionen Tonnen Getreide. Das sind 27 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres, so der Russischen Getreideverband. Und so hängt man die Messlatte für die Wiederaufnahme extrem hoch.

Das von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Sputnik via AP veröffentlichte Bild zeigt Wladimir Putin (r), Präsident von Russland und Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei, in Sotschi.
Das von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Sputnik via AP veröffentlichte Bild zeigt Wladimir Putin (r), Präsident von Russland und Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei, in Sotschi. © dpa | Sergei Guneyev

Eine Wiederaufnahme der Vereinbarung sei nicht ausgeschlossen, sagte Präsident Putin zwar – allerdings nur unter den russischen Bedingungen. So soll unter anderem die russische Landwirtschaftsbank wieder an das internationale Bankenabwicklungssystem SWIFT angeschlossen werden, das würde ein Aufweichen der Bankensanktionen bedeuten.

Noch keine Details über das Gespräch zwischen Putin und Erdogan

Russlands Außenminister Sergej Lawrow hatte vor dem Treffen der Staatschefs seinem türkischen Amtskollegen Hakan Fidan einen eigenen Plan vorgelegt: Russland will mit finanzieller Unterstützung aus Katar eine Million Tonnen Getreide zu einem ermäßigten Preis in die Türkei liefern, dort könnte das Getreide verarbeitet und an die bedürftigsten Länder weitergeleitet werden. Das Getreideabkommen mit der Ukraine wäre damit ausgehebelt.

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Nach dem Gespräch traten Erdogan und Putin in Sotschi vor die Presse. Russlands Präsident betonte, das Gespräch sei „konstruktiv“ gewesen. Laut Erdogan seien eine Vielzahl von Themen besprochen worden. Er sei überzeugt, dass das Getreideabkommen weitergehen könne, es müssten aber „Lücken geschlossen werden“. Die Türkei würde alles tun, was notwendig ist, um Getreide an ärmere Länder zu senden.

„Die auf der Tagesordnung stehenden Alternativvorschläge entsprachen hinsichtlich der Sicherheit und anderer Aspekte nicht den Erwartungen“, wies Erdogan den russischen Vorschlag zurück. Von Putin gab es indes wenig Neues: Russland wäre bereit zum Getreideabkommen zurückzukehren, sobald alle für das Abkommen relevanten Vereinbarungen erfüllt seien. Schon zuvor hatte die staatliche Nachrichtenagentur Ria Nowosti berichtet, es würden keine Dokumente unterzeichnet werden.

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