Berlin. Der CDU-Chef spielt im Bierzelt Bayern gegen Berlin aus. Wer sich aber nur im Bierzelt wohlfühlt, kann Deutschland nicht regieren.

Friedrich Merz sagt beim bayerischen Gillamoos-Volksfest: Nicht Kreuzberg sei Deutschland, Gillamoos sei Deutschland. An diesem Satz ist vieles falsch.

Merz möchte bekanntlich Kanzler werden. Dann müsste er schwören, seine “Kraft dem Wohle des deutschen Volkes” zu widmen. Dem ganzen Volk übrigens. Er scheint sich in der Bierzelt-Stimmung etwas zu überschätzen, wenn er annimmt, er könne definieren, wer dazugehört und wer nicht.

Nun steckt hinter dem Satz ja mehr. Kreuzberg benutzt er synonym für urbane Zentren mit vielen Zuwanderern. Und klar, da gibt es Probleme, eine seit Jahrzehnten gescheiterte Migrationspolitik, hohe Drogenkriminalität, am Görlitzer Park, ebenso wie in St. Georg in Hamburg, Duisburg-Marxloh oder am Frankfurter Hauptbahnhof. Die Diskreditierung ganzer Viertel löst allerdings kein einziges davon.

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Im Gegenteil. Deutlich über zwanzig Jahre beobachten wir in Europa Erfolge rechtspopulistischer Parteien. Überall sehen wir: Wenn sich konservative Parteien in Programm und Parolen Rechten annähern, wählen die Wähler das Original. Da Merz gerade in Bayern war, kann er sich das von Ministerpräsident Markus Söder erklären lassen. Der räumt heute ein, sich bei der Bayern-Wahl 2018 zu sehr dem AfD-Jargon angenähert zu haben und nennt das einen “schweren Fehler”.

Laura Himmelreich, stellvertretende Chefredakteurin.
Laura Himmelreich, stellvertretende Chefredakteurin. © Anna Schäflein/Funke Mediengruppe

Friedrich Merz stärkt durch seine Strategie vor allem der einem: der AfD

Zum einen wird Merz’ Strategie also eher die AfD stärken als ihn ins Kanzleramt bringen. Zum anderen stellt sich die Frage wie repräsentativ ein Bierzelt für die weltweit viertgrößte Volkswirtschaft ist. Im Zelt tragen die meisten Dirndl oder Lederhosen, so gut wie alle haben weiße Haut. Bei der Bundestagswahl haben 33 Prozent der Menschen des Wahlbezirks ihr Kreuz bei der CSU gemacht. Nachvollziehbar, dass Merz sich hier wohlfühlt.

In den Grundsätzen der CDU steht jedoch: “Wir treten für eine offene Gesellschaft ein”, die “frei und solidarisch” ist. Merz könnte sich hinterfragen, ob es vielleicht an solchen Sprüchen liegt, dass nur 7,6 Prozent der Kreuzberger der CDU-Floskel Glauben schenken und ihr Kreuz bei seiner Partei setzen.

Denn für 153.000 Menschen in Kreuzberg ist der Stadtteil genau das Deutschland, in dem sie leben wollen, das gilt für jene aus Einwandererfamilien wie für die Studenten in den WGs oder die Besserverdienenden in den kernsanierten Altbauten wenige Schritte von den Dealern entfernt. Merz scheint sich jedoch für die Vielfalt Kreuzbergs so wenig zu interessieren wie für die Diversität Niederbayerns.

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Denn auf der Website des Landkreises, in dem der Gillamoos stattfindet, steht: "Wir sind Landkreis Kelheim". Zu diesem ‘wir’ zählen auch die Menschen mit Migrationshintergrund”. Zwölf Prozent aller Kelheimer haben keinen deutschen Pass, deutlich mehr kommen aus Zuwandererfamilien. “Integration ist eines der wesentlichen Zukunftsthemen”, so der Landkreis. Vielleicht muss Merz noch länger beim Gillamoos bleiben, bis er erkennt, dass in Niederbayern ziemlich viel Kreuzberg steckt.

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