Madrid. In Spanien scheitern die Konservativen mit einer Regierungsbildung – nun ist erneut Sanchez am Zug. Eine gute Nachricht für Brüssel.

Brüssel kann aufatmen: Es wird vorerst keinen Rechtsruck in Spanien geben, der mit der ultrakonservativen Partei Vox eine weitere europaskeptische und den Klimawandel leugnende Bewegung an die Schalthebel der Macht gebracht hätte. Spaniens konservatives Lager scheitert im Parlament endgültig mit dem Versuch, eine Mehrheit für eine Regierung zu bekommen.

Der Vorsitzende der christdemokratischen Volkspartei, Alberto Núñez Feijóo, der im Juli die nationale Wahl mit einem hauchdünnen Vorsprung gewann, hatte eine Koalition zusammen mit der rechtsnationalen Partei Vox angestrebt. Bei der Abstimmung am Freitagnachmittag votierten 172 Abgeordnete für Feijóo und 177 Parlamentarier gegen ihn, eine Stimme würde für ungültig erklärt.

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Die Regionalparteien, die langfristig einen Ausbau der regionalen Autonomie oder sogar eine Unabhängigkeit ihrer Territorien anstreben, straften Feijóos Volkspartei und die rechtspopulistische Partei Vox für ihren unnachgiebigen nationalistischen Kurs ab. Der konservative Block sperrt sich gegen weitere Zugeständnisse für das Baskenland und für Katalonien – Regionen, in denen die Menschen ihre eigene Sprache sprechen und sich als eigene Nation verstehen.

Stillstand in Spanien: Jetzt muss der König vermitteln

Wie geht es nun weiter in Spanien, das vielen Europäern als weltoffenes Urlaubsland bekannt ist? Ein Staat, der als Tourismusriese und viertgrößte Wirtschaftsmacht der Eurozone ein europäisches Schwergewicht ist. Und der noch bis Ende des zweiten Halbjahres 2023 den turnusmäßigen Vorsitz des EU-Rates innehat.

Alberto Nunez Feijoo, Vorsitzender der PP und Kandidat für das Amt des Regierungspräsidenten, findet keine Mehrheit.
Alberto Nunez Feijoo, Vorsitzender der PP und Kandidat für das Amt des Regierungspräsidenten, findet keine Mehrheit. © dpa | Eduardo Parra

Nach der Ohrfeige für Feijóo ist wieder Spaniens königliches Staatsoberhaupt Felipe VI. am Zug. Laut dem bisher bekannten Fahrplan wird König Felipe eine neue Runde von Konsultationen mit allen Parteichefs einberufen. Anschließend wird der König vermutlich den bisherigen Regierungschef, den in Europa wegen seiner Dialogfähigkeit angesehenen Sozialdemokraten Pedro Sánchez, damit beauftragen, eine tragfähige Mehrheit für eine Regierung zu suchen.

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Sánchez, der in Spanien seit 2018 mit einem Mitte-links-Minderheitskabinett an der Macht ist, kann sich dann mit seiner Regierungsbildung Zeit lassen. Laut Gesetz muss er sich spätestens zwei Monate nach dem Scheitern Feijóos dem Parlament stellen. Sollte er ebenfalls keine Mehrheit im Unterhaus finden, wird es im Januar des kommenden Jahres Neuwahlen geben. Die Hängepartie geht also zunächst weiter.

Gute Nachricht für Europa – Schafft Sanchez das Comeback?

Inzwischen sind bereits zehn Wochen seit den nationalen Wahlen vergangen – und Spanien ist noch immer ohne handlungsfähige Regierung. Ganz führungslos ist das Land nur deshalb nicht, weil Sánchez‘ Kabinett geschäftsführend im Amt bleibt, bis es eine neue reguläre Regierung gibt. Sánchez‘ Aussichten, eine Mehrheit hinter sich zu scharen, sind besser als jene seines konservativen Rivalen Feijóo.

Der Sozialdemokrat Pedro Sánchez muss nun versuchen, selbst eine Koalition zu bilden.
Der Sozialdemokrat Pedro Sánchez muss nun versuchen, selbst eine Koalition zu bilden. © AFP | JAVIER SORIANO

Sánchez strebt eine Minderheitskoalition aus Sozialdemokraten und der Linksallianz Sumar an, die von den Regionalparteien aus dem Baskenland und Katalonien parlamentarisch gestützt wird – ein Modell, mit dem er bisher schon regierte. Nicht ohne Erfolg: Spaniens Wirtschaft brummt, das Land brachte zahlreiche gesellschaftliche Reformen auf den Weg und Sánchez wird als treuer europäischer Verbündeter geschätzt.

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Bei seiner Regierungsbildung wird Sánchez zugutekommen, dass er im Gegensatz zu Feijóo ein offenes Ohr für die Anliegen der Regionen hat. Und dass er deswegen auch über eine Amnestie für jene katalanischen Separatisten sprechen will, gegen die nach einem illegalen Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien ermittelt wird. Sánchez sieht dies als eine weitere Geste, um den seit Jahren brodelnden Katalonienkonflikt zu besänftigen.

Sein Dialogkurs sogar mit dem bisher als Staatsfeind angesehenen Separatistenchef Carles Puigdemont, der vor der spanischen Justiz nach Brüssel floh, bringt Sánchez aus dem konservativen Lager böse Vorwürfe ein: Sánchez sei ein Vaterlandsverräter, heißt es. Und er sei sogar bereit, für seinen Machterhalt die territoriale Einheit Spaniens zu verkaufen. Sánchez versichert indes, dass er keine Zugeständnisse machen werde, die nicht durch die Verfassung gedeckt seien.