Berlin. Es müsste viel schiefgehen, damit in Deutschland in diesem Winter das Gas knapp wird. Für Verbraucher ist das eine gute Nachricht.

Es gab Zeiten, in denen erfüllte der Blick morgens auf den Stand der Gasspeicher eine ähnliche Funktion wie zuvor der auf die Corona-Infektionszahlen: Die Daten gaben eine Orientierung, wo das Land steht, wie akut die Krise gerade ist und ob der ganz große Crash bevorsteht.

Diese Zeiten sind erst einmal vorbei – zum Glück. An der Schwelle zum Winter 2023/24 steht Deutschlands Gasversorgung auf stabilen Füßen. Die Speicher sind gefüllt, der Wegfall der Lieferungen über die Nordstream-Pipelines wurde kompensiert über andere Einfuhrwege, drei schwimmende LNG-Terminals sind am Netz und machen den Import von Flüssiggas aus der ganzen Welt möglich. Parallel dazu haben auch die europäischen Nachbarländer ihre Infrastruktur ausgebaut und ihre Speicher bis an den Rand gefüllt. Es ist eine gute Nachricht in Zeiten, in denen diese rar sind: Es müsste in diesem Winter schon sehr viel schiefgehen, damit in Deutschland das Gas ernsthaft knapp wird.

Theresa Martus, Politik-Korrespondentin
Theresa Martus, Politik-Korrespondentin © Funke Foto Services | Reto Klar

Unternehmen und Verbraucher haben eingespart, wo sie können

Die vergleichsweise entspannte Ausgangslage hat mehrere Gründe. Zum einen hat die Ampelkoalition im vergangenen Jahr zielstrebig und effektiv gehandelt. Im Ergebnis sind die Quellen, aus denen Deutschland jetzt sein Gas bezieht, vielfältiger, das Risiko, dass ein ausfallender Lieferant die ganze Versorgung gefährdet, deutlich kleiner.

Zum anderen haben Unternehmen und Verbraucher auf die hohen Preise reagiert und ihren Verbrauch entsprechend angepasst. Bürgerinnen und Bürger, indem sie die Heizung runtergedreht haben. Firmen, indem sie Prozesse effizienter gemacht haben, sich neue Lösungen einfallen lassen haben und auf andere Energieträger gewechselt sind.

Das alles verschafft eine Atempause. Verbraucherinnen und Verbraucher können diesem Winter gelassener entgegensehen.

Es ist allerdings kein Grund, zurückzusinken in das bequeme Desinteresse, mit dem viele Menschen vor dem Ukraine-Krieg energiepolitischen Fragen gegenüberstanden. Denn auch wenn ein sehr kalter Winter oder ein Lieferstopp über die Ukraine noch nicht den Notfall bedeuten, hätten derartige Schocks trotzdem Auswirkungen, in erster Linie auf den Preis. Für viele Haushalte, die die Preissteigerungen des vergangenen Jahres auf praktisch alle Produkte immer noch schmerzhaft spüren, wäre das eine weitere Belastung. Und auch viele Unternehmen stünden dann erneut vor Herausforderungen – nur dass es dieses Mal kaum Möglichkeiten gibt, noch weiter einzusparen.

Mittel- und langfristig muss es darum gehen, ganz wegzukommen von Gas

Die Diversifizierung der Lieferwege und der Aufbau von Widerstandsfähigkeit auch auf europäischer Ebene waren kurzfristig der beste Weg, diese Schocks abzufedern, sollten sie kommen. Mittel- und langfristig muss es aber darum gehen, Gas nicht aus mehr Quellen zu beziehen, sondern davon wegzukommen, wo immer es geht.

Wer jetzt die Möglichkeit hat, sich weniger abhängig zu machen von Gaslieferungen, sollte sie nutzen. Nicht nur, indem man einen Pullover mehr anzieht, sondern seinen Verbrauch strukturell reduziert. Zum Beispiel mit Investitionen in die Dämmung des eigenen Hauses. Auch ohne weiteren Druck auf die Versorgung wird Gas als Energieträger in den kommenden Jahren teurer werden, dafür sorgt schon der europäische CO2-Handel. Klimapolitisch ist ohnehin jeder gesparte Kubikmeter Gas ein Gewinn.

Die Zeiten des ganz billigen Gases, von denen Wirtschaft und Verbraucher in Deutschland lange profitiert haben, sind vorbei. Der gelegentliche Blick auf den Stand der Gasversorgung bleibt also angebracht.