Berlin/Dubai. Ausgerechnet im Ölstaat VAE könnte mit dem Ausstieg aus fossiler Energie ein Coup gelingen. Doch die Gegner der Idee sind mächtig.

Am Persischen Golf hat die zweite Woche der Verhandlungen der Weltklimakonferenz begonnen; und mit ihr ein mögliches Endspiel um fossile Energien. In Dubai beraten Vertreterinnen und Vertreter von rund 200 Staaten unter anderem über den „Global Stocktake“ – eine globale Bestandsaufnahme, wo die Welt beim Klimaschutz steht, die nach den Regeln des Pariser Abkommens von 2015 regelmäßig durchgeführt werden muss.

Die bisherigen Bemühungen, Treibhausgasemissionen einzusparen, reichen nicht annähernd aus, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Welche Schlüsse die Staatengemeinschaft aus dieser Tatsache ziehen und in Dubai offiziell festhalten soll, ist aber hochumstritten.

Fossile: Absichtserklärung wäre „ein Gewinn“

Doch ausgerechnet in den Emiraten am Golf, die unter anderem reich geworden sind mit Öl, hoffen Klimaschützerinnen und Klimaschützer jetzt auf ein kleines Wunder. Denn zum ersten Mal könnte es eine Formulierung in den Beschlusstext schaffen, die das Ende des fossilen Zeitalters einleitet: die Absichtserklärung für einen Ausstieg („phase out“) aus fossilen Brennstoffen wie Öl, Gas und Kohle.

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Was zunächst trivial klingt, bedeutet für die schwergängige, oft komplizierte Welt der Klimadiplomatie einen Hauch von Revolution. Denn die rund 200 Staaten, die auf den UN-Klimakonferenzen beraten, haben stets eine Festlegung darauf vermieden, dass zur Rettung der Lebensgrundlagen fossile Brennstoffe nicht mehr genutzt dürfen. Angesichts dessen, wie lange schon klar sei, dass Kohle, Öl und Gas die Hauptverursacher der Klimakrise sind, sei es „völlig verrückt“, dass man erst heute an diesem Punkt sei, sagt Lisa Göldner, Klimaexpertin von Greenpeace. „Aber es ist ein Gewinn, der insbesondere auf den Druck von Umweltschutzorganisationen und der Klimabewegung zurückgeht.“

Widerstand gegen Ausstieg unter anderem aus China, Saudi-Arabien und Russland

Vor allem die EU will in Dubai erreichen, dass der Ausstieg aus fossiler Energieerzeugung festgeschrieben wird. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, die am Donnerstagabend nach Dubai geflogen war, unterstrich dieses Ziel am Freitag. Der Ausbau von Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz allein reiche nicht aus, um in Reichweite des 1,5-Grad-Pfades zu kommen, sagte die Grünen-Politikerin, „sondern wir brauchen dafür vor allen Dingen den Ausstieg aus den fossilen Energien“. Wichtig sei hier die genaue Formulierung im Beschlusstext. Die Verhandler müssten „den Ausstieg aus den fossilen Energien und eben nicht den Ausstieg aus den fossilen Emissionen“ vereinbaren, sagte Baerbock.

Doch der Widerstand genau dagegen ist erheblich. Denn das Geschäft mit fossilen Brennstoffen ist für viele Staaten noch immer sehr einträglich. Unter anderem Saudi-Arabien und Russland sperren sich deshalb gegen einen Verweis auf das Ende fossiler Energieerzeugung. Weil die Einigung bei Klimakonferenzen aber einstimmig erreicht werden müssen, jedes Land also ein defacto-Vetorecht hat, findet der Vorsatz ohne ihre Zustimmung auch nicht den Weg in den Text. Auch China, das inzwischen jährlich die größte Menge an Treibhausgasen verursacht, gilt in dieser Frage als Blockierer.

Statt einem klaren Bekenntnis zum Ausstieg („phase out“) argumentieren einige Delegierte deshalb für ein bloßes Herunterfahren der Emissionen („phase down“). Andere, darunter Vertreter der USA, werben auch für eine Formulierung, die auf den ersten Blick dem Versprechen eines Ausstiegs ähnlich sieht, aber nicht das Vermeiden aller Emissionen meint.

COP28: Ausstieg aus fossilen Brennstoffen ist „unausweichlich“

Das Schlüsselwort dort heißt „unabated“, was sich übersetzen lässt als ungemindert. Der Begriff zielt auf CCS (Carbon Capture and Storage), also Technologien, die Kohlenstoffdioxid beim Entstehen abspalten und verhindern, dass das Treibhausgas in die Atmosphäre gelangt. Doch eine genaue Definition von „unabated“ gibt es nicht – welcher Anteil der Emissionen abgespalten werden müsste, damit diese als „gemindert“ gelten, ist völlig offen.

Dass Technologie zur Abspaltung von CO₂ zum Einsatz kommen muss, wenn die Welt überhaupt eine Chance haben will, die Ziele des Pariser Abkommens einzuhalten, hat auch der Weltklimarat IPCC in der Vergangenheit festgehalten. Doch die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sehen in CCS und ähnlichen Methoden nur eine verhältnismäßig kleine Ergänzung zur Einsparung von Emissionen, die der mit Abstand wichtigste Hebel bleiben. Zum Einsatz kommen soll die Technik deshalb vor allem in den Sektoren, wo Emissionen nicht zu vermeiden sind, etwa bei der Herstellung von Zement.

Im großen Stil steht CCS bisher ohnehin nicht zur Verfügung. Und sich darauf zu verlassen, könnte sehr teuer werden. Das zeigt eine Studie der Universität Oxford, die in dieser Woche veröffentlicht wurde. Demnach sind die Kosten von CCS anders als bei Windkraft, Solarenergie und Batteriespeichern kaum gefallen. Das Autorenteam kommt zu dem Schluss, dass der großflächige Einsatz zur Erreichung der Klimaziele jährlich eine Billion US-Dollar kosten würde.

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„CCS-Technologie ist riskant, unausgereift und wird nie in großem Umfang zur Verfügung stehen“, sagt Greenpeace-Expertin Göldner. „Das sind nichts als Nebelkerzen, die davon ablenken, dass es unausweichlich ist, den weltweiten Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas jetzt sofort zu starten.“

Al-Jaber als zentrale Figur im Ringen um ein Ausstiegsdatum

Unterstützt werden die Versuche, einen Ausstieg zu verzögern, auch von zahlreichen Lobbyisten der Öl- und Gasindustrie, die auf der Konferenz unterwegs sind. Mehr als 2400 sind für das Treffen angemeldet.

Und einer von ihnen, fürchten Kritiker, könnte ausgerechnet an der Spitze der Konferenz stehen: Konferenzpräsident Sultan Ahmed Al-Jaber. Ihm kommt eine wichtige Rolle zu: Er muss vermitteln zwischen den vielen gegensätzlichen Interessen und eine gemeinsame Basis für Entscheidungen finden.

Weil Al-Jaber aber nicht nur Konferenzpräsident ist, sondern gleichzeitig auch Chef des staatlichen Ölkonzerns von Abu Dhabi, Adnoc, fürchten Beobachter, dass der 50-Jährige dieser Rolle nicht gerecht werden könnte. Und es schien die schlimmsten Befürchtungen zu bestätigen, als vor wenigen Tagen der britische Guardian von Aussagen Al-Jabers berichtete, nach denen es „keine Wissenschaft“ gebe, die eine Notwendigkeit für einen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen belege.

Nach großer öffentlicher Empörung musste er zurückrudern. Doch Misstrauen bleibt. Noch könne Al-Jaber sein Vermächtnis als Konferenzpräsident retten, wenn am Ende der Konferenz eine Einigung auf ein Ausstiegsdatum aus Öl, Gas und Kohle stehe, sagt Mohamed Adow, Direktor des Klima-Thinktanks Powershift Africa. „Wenn ihm das gelingt, werden er und diese COP in die Geschichtsbücher eingehen“, sagt Adow. „Wenn nicht, wird das die COP sein, die von der fossilen Industrie untergraben wurde.“