Berlin. Verbote? Subventionen? Technologie? Mit teils sehr eigenen Methoden wollen andere Nationen eine klimaneutrale Wirtschaft erzwingen.

Die Spitzen der Berliner Ampel-Regierung ringen immer noch um den Bundeshaushalt 2024. Eigentlich sollte der längst auf den Weg gebracht sein, doch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von Mitte November zur Haushaltspolitik machte nicht nur den Zeitplan, sondern gleich die gesamte Finanzplanung der Koalition zunichte. Die Richter untersagten nachträglich, nicht genutzte Corona-Kredite im Umfang von 60 Milliarden Euro zugunsten des Klimaschutzes umzuwidmen und schuldenfinanzierte Reserven für kommende Jahre anzulegen. Für 2023 soll ein erneutes Aussetzen der Schuldenbremse einen Nachtragshaushalt möglich machen, doch wie es im nächsten Jahr weitergeht, ist offen.

Welche Auswirkung das auf die deutsche Klimapolitik und die Transformation der Wirtschaft haben wird, ist noch unklar. Doch wie gehen eigentlich andere Industriestaaten dieses wichtige Thema an? Ein Überblick unserer Korrespondenten.

USA

Geht es um den Umbau der Industriegesellschaft in Richtung Grün und Klimaschutz, elektrisieren drei Buchstaben Firmen aus aller Welt: IRA. Dahinter steht der im Sommer 2022 vom US-Kongress auf Drängen von Präsident Joe Biden verabschiedete „Inflation Reduction Act“. Das Gesetz sieht über zunächst zehn Jahre Klimaschutzausgaben in Höhe von mehr als 400 Milliarden Dollar (371 Milliarden Euro) vor – 270 Milliarden Dollar in Form von Steuergutschriften und 145 Milliarden an direkten Überweisungen.

Wobei es, wenn man das Kleingedruckte studiert, auch mehr werden könnte. Denn die Fördersummen, die Investitionen etwa in Windenergie, in Wasserstoff, in synthetische Kraftstoffe, Elektromobilität oder in die Kernfusionsforschung steuerlich begünstigen sollen, sind nicht gedeckelt.

Auch für die deutsche Wirtschaft, die kräftig in den USA investiert, ergibt sich der Reiz des Programms aus der leichten Handhabbarkeit: Die Gelder werden meist in Form von Steuergutschriften aufgebracht. Wer also in grüne Technologien investiert und die dazu nötigen Vor- oder Endprodukte ganz oder teilweise in Nordamerika fertigen lässt, kann anschließend über Jahre steuerfreie Gewinne einplanen. (Dirk Hautkapp)

China

Staatschef Xi Jinping hat das Ziel vorgegeben: Bis spätestens 2060 soll die derzeit zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt klimaneutral sein. Wie das gelingen soll, wird vor allem den Lokalregierungen der Provinzen überlassen. Diese müssen die Nachhaltigkeitsvorgaben aus Peking einhalten, zugleich jedoch die ausgewiesenen Wachstumsziele erreichen.

Lesen Sie auch:Wie China mit E-Mobilität deutsche Autobauer bedroht

Doch der autoritär regierten Volksrepublik stehen mächtige Hebel zur Verfügung, um die Finanzierung des Umbaus staatlich zu lenken. Staats- und Privatbetriebe haben starke Anreize, sich den „nationalen Interessen“ unterzuordnen. Anderenfalls laufen sie Gefahr, ins Visier der Regulierungsbehörden zu geraten.

Zudem hat die Zentralbank das sogenannte „Green Financing“ bereits früh für sich entdeckt. Unternehmen, die ihre CO2-Emissionen verringern, erhalten viele vergünstigte Kredite. Zudem gibt die Regierung riesige Summen an Subventionen aus. Das Kalkül dahinter ist auch, im Bereich grüner Technologien eine Führungsrolle einzunehmen. Schätzungen der Agentur Bloomberg zufolge gab der chinesische Staat allein im vergangenen Jahr 132 Milliarden Dollar zur Sanierung seiner Energiebilanz aus. (Fabian Kretschmer)

Japan

In Japan nimmt der Klimaschutz weniger Raum in politischen Debatten ein als in anderen Ländern, etwa in Deutschland: Das liegt auch daran, dass es in Japan auf nationalem Niveau kaum noch einen ernst zu nehmenden Parteienwettbewerb gibt. Infolge der Atomkatastrophe von Fukushima zerfiel die damals regierende linksliberale Demokratische Partei. Stattdessen regiert seit 2012 wieder die konservative Liberaldemokratische Partei (LDP), die zuvor schon über Jahrzehnte die Geschicke im Land gelenkt hatte.

Auch interessant:Warum die Japan-Methode in Deutschland kaum denkbar wäre

Doch gerade weil die LDP so dominant ist, kann sie, wenn sie sich einmal dazu durchringt, oft widerstandslos Reformen durchsetzen. Es war die LDP, die erklärte, dass Japan bis 2050 klimaneutral werden müsse. Dafür erarbeitete die Regierung eine nationale Wasserstoffstrategie. Ziel ist es, klimafreundlichen Wasserstoff zu einem zentralen Energieträger in Industrie, Verkehr und Stromproduktion zu machen. Dafür sollen in den kommenden 15 Jahren mehr als 100 Milliarden US-Dollar an öffentlichen und privaten Mitteln mobilisiert werden. (Felix Lill)

Großbritannien

Großbritannien will bis 2050 klimaneutral sein. Dafür formulierte die Regierung vor zwei Jahren die sogenannte „Net Zero“-Strategie. Die grüne Transformation soll dabei durch eine Kombination aus staatlichem und privatem Geld bewerkstelligt werden. Die Regierung subventioniert beispielsweise die Herstellung und Installation von Wärmepumpen oder hat knapp 400 Millionen Pfund (466 Millionen Euro) für den Ausbau von Ladestationen für E-Autos versprochen.

Insgesamt hofft die Regierung, dass diese Investitionen bis 2030 rund 100 Milliarden Pfund an Privatkapital anlocken sollen. Aber es gibt auch Rückschritte: Zwar will Großbritannien bereits 2024 den Kohleausstieg vollziehen. Zuletzt hatte Premierminister Rishi Sunak jedoch eine Reihe von Klimaplänen aufgeweicht, er verschob etwa das Verbot von neuen Verbrennerautos von 2030 auf 2035. (Peter Stäuber)

Italien

Hitzewellen, Dürren, Überschwemmungen: Italien ist schon heute im großen Stil vom Klimawandel betroffen. Das hat auch direkte Auswirkungen auf wichtige Wirtschaftszweige wie den Tourismus oder die Nahrungsmittelproduktion. Sein nationales Klimaschutzprogramm und die Transformation finanziert Italien zum Teil aus dem Haushalt und zum Teil mit den Geldmitteln, die Rom aus dem europäischen Corona-Wiederaufbauplan bekommt. Rund 200 Milliarden Euro erhält Italien aus Brüssel.

Fast 72 Milliarden Euro sind für die ökologische und digitale Transformation vorgesehen. Der größte Anteil entfällt auf die Infrastruktur für nachhaltige Mobilität. Die Zustimmung der Parteien für die Klimaschutzmaßnahmen ist breit. Linksparteien meinen jedoch, die Regierung sollte mehr Tempo machen. (Micaela Taroni)

Frankreich

Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron betont bei jeder Gelegenheit, dass der Klimaschutz und die Transformation der Wirtschaft ein zentrales Ziel seiner Politik seien. Das lässt sich mit einem weiteren Ziel verknüpfen – nämlich dem der Reindustrialisierung des Landes. Über Jahrzehnte hinweg verlor Frankreich wegen unattraktiver Standortbedingungen immer mehr Industrieunternehmen und -jobs. Macron und seine Regierung wollen den Trend umdrehen und rollen Investoren den roten Teppich aus.

Für all das nimmt die Regierung auch viel Geld in die Hand: Im Plan „France Relance“ standen in den vergangenen beiden Jahren insgesamt 100 Milliarden Euro zur Verfügung – 40 Milliarden davon kamen aus dem europäischen Corona-Wiederaufbaufonds. Im Rahmen des Plans „France 2030“ wiederum sollen bis 2030 noch einmal 54 Milliarden Euro investiert werden. Zum Ärger vieler deutscher Aktivisten und Politiker setzt die Pariser Regierung für den Klimaschutz auch im großen Stil auf Atomkraft. (Thorsten Knuf)