Berlin. Deutsche Gerichte haben immer wieder festgestellt: Beamte dürfen hierzulande nicht streiken. Wird sich das nach einem Urteil ändern?

In Deutschland ist es so: Angestellte dürfen streiken, Beamte hingegen nicht. Doch dagegen wollen jetzt vier Lehrerinnen und Lehrer vorgehen und haben eine Klage angestrengt. Nicht vor irgendeinem Gericht, sondern direkt vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Dieser entscheidet darüber am (heutigen) Donnerstag (14.12.).

Worum geht es in dem konkreten Fall? Drei Lehrerinnen und ein Lehrer – alle aus verschiedenen Bundesländern – hatten geklagt. Sie streikten in den Jahren 2009 und 2010 für bessere Arbeitsbedingungen. Doch weil sie verbeamtet waren, hätten sie ihre Arbeit nicht niederlegen dürfen. Deswegen kam es gegen sie zu Disziplinarmaßnahmen.

Lesen Sie auch:Psychotherapie – Wann das Ihre Verbeamtung gefährden kann

Daraufhin klagten sich die Lehrer*innen bis zum Bundesverfassungsgericht. Dieses bestätigte jedoch 2018 das Streikverbot für Beamte. Das Beamtenverhältnis fuße auf einem wechselseitigen System von Rechten und Pflichten. Das lasse ein „Rosinenpicken“ nicht zu, hieß es damals. Daraufhin klagten die Lehrer vor dem EGMR. Die Bildungsgewerkschaft GEW und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) unterstützen sie dabei.

Eine von den Lehrerinnen heißt Kerstin Wienrank. Sie hat im Februar 2009 in Hannover gestreikt, nur ein einziges Mal, und sagt gegenüber der Redaktion der „Tagesschau“: „Ich wusste damals schon, dass das Konsequenzen haben wird, und ich war bereit, diese zu tragen.“ Sie habe es damals nicht als unverantwortlich empfunden, zu streiken, weil „durch schulinterne Regelungen und Absprachen ein ‚Schaden‘ für Schülerinnen und Schüler nicht entstehen konnte“.

Was der Gerichtshof für Menschenrechte nun entscheiden kann

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gehört zum Europarat und ist von der EU unabhängig. Europarat und Gerichtshof setzen sich für den Schutz der Menschenrechte in den 46 Mitgliedstaaten ein.

Die Lehrer berufen sich auf ihre Rechte aus der Europäischen Menschenrechtskonvention: das Recht auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit und das Verbot der Diskriminierung. Sie beklagen, dass das Streikverbot unverhältnismäßig und im Vergleich zu den Lehrern ohne Beamtenstatus diskriminierend sei.

Auch interessant:Pisa-Schock 2.0 – Jetzt braucht es einen echten Ruck

Der Fall ging am EGMR direkt an die Große Kammer, wo mehr als ein Dutzend Richterinnen und Richter aus den Mitgliedsstaaten sitzen. Ein Hinweis darauf, dass dem Verfahren besondere Bedeutung beigemessen wird. Streitsachen aus Deutschland werden nur selten vor der Großen Kammer verhandelt.

In einem ähnlich gelagerten Fall aus der Türkei entschieden die Richter vor einigen Jahren, dass Beamte streiken dürfen – aber nur, solange sie keine hoheitlichen Aufgaben bei den Streitkräften, der Polizei oder in der Staatsverwaltung ausüben.

Mehr zum Thema

Europäischer Gerichtshof: Welche Auswirkungen könnte das Urteil für Deutschland haben?

Der EGMR kann keine Urteile von deutschen Gerichten aufheben. Deutschland hat allerdings die Europäische Menschenrechtskonvention unterzeichnet, über deren Einhaltung der EGMR richtet. Das bedeutet, dass alle Urteile der Straßburger Richter bindend sind. Die Menschenrechtskonvention muss demnach berücksichtigt werden. Sollte der Gerichtshof den Lehrerinnen und dem Lehrer Recht geben, könnte das für Deutschland unter anderem eine Geldstrafe zur Folge haben. (dpa/fmg)