Berlin. Die Pläne von Rechtsextremen und AfD-Mitgliedern geben den Protesten gegen Rechts neuen Schwung – daraus könnte noch mehr entstehen.

Das Bekanntwerden des konspirativen Treffens von Rechtsextremen und AfD-Mitgliedern in Potsdam hat viele Menschen schockiert. Rechtes Gedankengut wird stärker als Bedrohung wahrgenommen – ein Eindruck, dem immer mehr Menschen mit Protestaktionen begegnen. Mehr als 100.000 Menschen sind seither gegen Rechts und für Demokratie auf die Straße gegangen. In Berlin und Köln, Leipzig, Hannover, Kiel und Essen nahmen Tausende an Protesten teil. Bis Ende Januar sind bundesweit über 60 weitere Kundgebungen geplant, von Pinneberg über München und Gera bis Düsseldorf. Auf der neu erstellten Website demokrateam.org sind bis Mitte Februar sogar 114 Veranstaltungen gegen Rechts eingetragen.

Die Demonstrationen werden oft von lokalen Bündnissen initiiert. In Köln hatte für Dienstagabend ein „spontanes Bündnis gegen Rechts“ zu einer Kundgebung aufgerufen und zunächst nur 1000 Teilnehmende angemeldet, später wurde die Zahl dann nach oben auf 4.000 korrigiert. Am Ende kamen sogar 30.000 Menschen. Mitorganisiert hatte auch „Köln gegen Rechts“, in dem die „Interventionistische Linke“ Mitglied ist. Der erfolgreiche Protest zeige, dass eine Zusammenarbeit linker und bürgerlicher Gruppen gegen die von vielen wahrgenommene rechtsextreme Bedrohung funktioniere, so ein Mitglied von „Köln gegen Rechts“.

Eine Frau ist zu einer der Demos mit ihrer Schwiegermutter, bei Omas gegen Rechts aktiv, und ihrem Kind gekommen. „Mein Kind ist deutsch-türkisch-arabisch. Wir sind gekommen um zu zeigen, dass wir hier verwurzelt sind.“ Wegen der Zunahme von Rassismus habe sie unsicherer in die Zukunft geblickt. „Aber solche Demonstrationen geben Hoffnung.“

Der Rechtsruck habe auch nicht erst mit dem Geheimtreffen in Potsdam begonnen, sagt die Schwiegermutter. „Was man so auf der Straße hörte, war schon vorher schlimm.“ Nun sei aber deutlich, dass man „in die Puschen kommen“ müsse.

Rechtsextreme Geheimpläne: ein „Weckruf“ für die Gesellschaft

Bei der zweitgrößten Kundgebung in Berlin mit 25.000 Demonstrierenden hatte Fridays For Future (FFF) die Initiative ergriffen. „Wir bei FFF verfügen über die nötigen Strukturen und wollen die auch für den Kampf gegen Rechts nutzen“, sagte FFF-Sprecherin Samira Ghandour dieser Redaktion. Rassismus sei zwar schon lange ein Problem in Deutschland, aber das Treffen in Potsdam, bei dem ein Abschiebe-Plan für Millionen Zugewanderte erörtert worden sein soll, sei ein Weckruf für die Gesellschaft gewesen, so Ghandour.

Ähnlich äußert sich Irmgard Wurdack, Bundesgeschäftsführerin des bundesweiten Bündnisses Aufstehen gegen Rassismus (AgR), das ebenfalls Protestaktionen plant. „In den letzten Jahren wurde die AfD unterschätzt, als Ost- oder Protestpartei abgetan“, sagte Wurdack dieser Redaktion. Umfrage- und Wahlergebnisse zeigten jedoch, dass die Bedrohung real sei. Seit der Correctiv-Recherche kämen nun aber aus ganz Deutschland E-Mails im „Tickermodus“ bei AgR an. „Menschen wollen sich vernetzen, aktiv werden, fragen, was sie tun können, ob es in ihrem Ort eine Demo oder Gruppe gibt, der sie sich anschließen können.“

Auch Argumentationstrainings gegen rechte Parolen würden stark nachgefragt, ergänzte Wurdack. Doch was wird aus der Welle des Protests gegen Rechts? Die Organisation ProAsyl unternimmt Schritte, die Mobilisierung in ein bundesweites Bündnis zu überführen und es am Donnerstag vorzustellen. Den Aufruf von „Hand in Hand – Wir sind die Brandmauer“ haben laut ProAsyl (Stand Mittwoch) 160 Organisationen – darunter Verdi, der Paritätische Wohlfahrtsverband, FFF und AgR – unterzeichnet. Die Auftaktkundgebung mit einer Menschenkette vor dem Bundestag ist für den 3. Februar geplant.

Mehr zum Thema