Berlin. Ein Vater klagt, weil allein seine Ex-Partnerin die Zeit für Kindererziehung angerechnet bekommt. Ist die Ungleichbehandlung rechtens?

Wer Kinder großgezogen hat, bekommt als Rentner oder Rentnerin deutlich mehr Geld. Das Bundessozialgericht hat sich jetzt mit der Frage befasst, ob die geltende Rechtslage dazu Männer aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert. Das sei nicht der Fall, entschieden die Kasseler Richter am Donnerstag: Zwar bevorzuge das Gesetz im Zweifel Frauen. Dies sei aber gerechtfertigt. Wir erläutern, worum es geht.

Was genau hat das Gericht entschieden?

Das Gericht hatte sich abschließend mit der Klage eines Mannes zu befassen, der dagegen vorgegangen war, dass die Rentenversicherung seiner Ex-Partnerin und nicht ihm Kindererziehungszeiten gutgeschrieben hatte. Der Mann argumentierte, dass die gesetzlichen Vorschriften dazu Männer diskriminierten und deswegen verfassungswidrig seien. Das wies das Bundessozialgericht zurück: Zwar führe die Anwendung einer Auffangregelung im Sozialgesetzbuch „zu einer unmittelbaren Benachteiligung des Kindsvaters“.

Diese Ungleichbehandlung sei aber „ausnahmsweise“ gerechtfertigt, weil Frauen nach der Geburt von Kindern im Job und beim Erwerb von Renten-Anwartschaften faktisch weiterhin benachteiligt seien. Die Regelung zugunsten von Frauen sei überdies verhältnismäßig, argumentierten die Richter (Aktenzeichen B5R10/23R).

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    Um welche gesetzliche Regelung ging es genau?

    Bisher gilt, dass Eltern gemeinsam entscheiden können, wem von beiden die Erziehungszeiten bei der Rentenversicherung gutgeschrieben werden. Fehlt solch eine gemeinsame Erklärung, werden die Erziehungszeiten demjenigen Elternteil gutgeschrieben, der das Kind überwiegend erzogen hat. Sofern sich aber nicht zuordnen lässt, welcher Elternteil sich am meisten um das Kind gekümmert hat, werden die Zeiten automatisch der Mutter gutgeschrieben.

    Genau das war im vorliegenden Fall geschehen, wogegen der Vater vor Gericht zog und sich durch sämtliche Instanzen klagte. Er sah sich aufgrund seines Geschlechts verfassungswidrig benachteiligt.

    Wie stellte sich der vorliegende Fall im Detail dar?

    Der Mann und seine Ex-Partnerin lebten zunächst mit der gemeinsamen Tochter zusammen. Nach der Geburt des Kindes im Jahr 2001 ging der Mann weiterhin Vollzeit arbeiten, die Mutter nahm erst nach dem sechsten Geburtstag des Kindes einen Minijob an. Ende 2008 zog sie aus der gemeinsamen Wohnung aus und lebt seitdem von dem Mann und ihrer Tochter getrennt.

    „Inzwischen ist ihr Aufenthalt unbekannt, das Ruhen ihrer elterlichen Sorge wurde vom Familiengericht festgestellt“, erläuterte das Bundessozialgericht. Der Rentenversicherungsträger erkannte an, dass der Mann ab dem Auszug der Frau für die Erziehung des Mädchens zuständig war. Für die Spanne davor schrieb sie ihm aber keine Erziehungszeiten gut: Es sei von einer Erziehung durch beide Elternteile auszugehen, eine gemeinsame Erklärung zur Zuordnung der Erziehungszeit gebe es nicht. Und nachweisen lasse sich erst ab dem Auszug der Frau, dass sich der Mann überwiegend um das Kind kümmerte. Für die Zeit davor schrieb der Träger gemäß der Rechtslage deshalb die Erziehungszeiten der Mutter gut.

    Worauf berief sich der Mann bei seiner Klage?

    Der Kläger beanstandete, er werde aufgrund seines Geschlechts diskriminiert. Dabei verwies er unter anderem auf Artikel 3 des Grundgesetzes: Dieser besagt unter anderem, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind und niemand wegen seines Geschlechts benachteiligt oder bevorzugt werden darf.

    Das Bundessozialgericht in Kassel sieht eine Ungleichbehandlung, die aber  „ausnahmsweise“ gerechtfertigt sei.
    Das Bundessozialgericht in Kassel sieht eine Ungleichbehandlung, die aber  „ausnahmsweise“ gerechtfertigt sei. © dpa | Uwe Zucchi

    Wie urteilten die Vorinstanzen?

    Sowohl das Sozialgericht Darmstadt als auch das Hessische Landessozialgericht wiesen die Klage des Mannes ab. Die zweite Instanz argumentierte, die überwiegende Erziehungsleistung des Klägers habe sich für den fraglichen Zeitraum nicht nachweisen lassen, weshalb die Erziehungszeit der Frau gutgeschrieben werden müsse. Diese Auffangregelung verstoße nicht gegen die Verfassung, sondern diene in zulässiger Weise der eigenständigen sozialen Sicherung von Frauen. Entlang dieser Linie entschied jetzt auch das Bundessozialgericht.

    Was hat es überhaupt mit der Anrechnung von Kindererziehungszeiten bei der Rente auf sich?

    Mit der Anrechnung honoriert der Gesetzgeber auch bei der gesetzlichen Rente, dass Menschen Kinder erziehen. Für Kinder, die ab dem Jahr 1992 geboren wurden, werden bis zu drei Jahre pro Kind gutgeschrieben. Für Kinder, die vor 1992 zur Welt kamen, sind es bis zu zwei Jahre und sechs Monate. Die letztgenannte Regelung hatte die damalige Große Koalition von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) unter dem Schlagwort „Mütterrente“ durchgesetzt.

    Wie die Deutsche Rentenversicherung erläutert, gibt es für ein Jahr Kindererziehung fast einen Entgeltpunkt. Das bedeutet, dass so getan wird, als habe die betroffene Person ein Jahr lang exakt so viel verdient wie der Durchschnitt und entsprechend Rentenbeiträge abgeführt.

    Ein Entgeltpunkt ist zurzeit 37,60 Euro pro Monat wert. Die Höhe der gesetzlichen Rente ergibt sich aus der Anzahl der Entgeltpunkte, die ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin im Laufe des Berufslebens sammelt.

    Drei Entgeltpunkte, erlangt durch die Gutschrift von drei Jahren Kindererziehung, erhöhen die monatliche Rente also um mehr als 100 Euro. Wer neben der Kindererziehung arbeitet und Beiträge abführt, bekommt die Kindererziehungszeiten bis zur Beitragsbemessungsgrenze zusätzlich angerechnet.

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