Hermsdorf. Die Ex-Ministerin und CDU-Politikerin Marion Walsmann möchte Europaabgeordnete werden.

Die Kandidatin fasst mit an. Der weiße Stehtisch wird aus dem Minivan gewuchtet. Darauf liegen kurz danach Flyer, Parteizeitungen, Postkarten. Davor Kartons mit Marmeladengläschen, europablauen Stoffbeuteln, Trinkflaschen. Daneben ein Aufsteller mit dem Foto einer Frau: schwarze Haare, rote Lippen, rote Jacke.

Diese Farbkombination, zusammen mit einem breiten Lächeln, hat Marion Walsmann zum Markenzeichen ausgebaut. Am Mittwoch dieser Woche macht sie Wahlkampf vor dem Eingang des „Brückencenters“ in Hermsdorf. Es ist nach 18 Uhr, der Himmel voller Wolken. Die zehn Grad mit einer Brise aus Nordwest fühlen sich kälter an. Das Interesse an der Frau, die in Erfurt viele kennen und die Thüringens Stimme in Europa werden möchte, hält sich im Saale-Holzland-Kreis in Grenzen. Aber davon lässt sich Walsmann nicht abschrecken. „Guten Tag, darf ich Sie einfach mal ansprechen?“, fragt sie ein älteres Ehepaar. Sie darf. Das Gespräch ist sehr kurz, sie überreicht Lesestoff.

Mehr als ein Dutzend Menschen angesprochen

Nahe der Einkaufswagen trinken zwei junge Männer Dosenbier. „Wenn ich ein Schlüsselband kriege, würd‘ ich sie wählen“, sagt einer scherzhaft. „Das ist doch mal ‘ne Ansage“, frotzelt eine von Walsmanns Begleiterinnen zurück. Einen Flaschenöffner gibt’s gratis dazu.

Walsmann steuert den ersten Laden an. Kunden sind nicht in Sicht. „Ich bin die Thüringer CDU-Kandidatin für die Europawahl“, stellt sie sich vor. „Und ich aus Sachsen-Anhalt“, sagt die Verkäuferin. Nicht schlimm. Marmelade gibt es trotzdem.

Ein Mann in Arbeitshose erteilt ihr eine Abfuhr, will der AfD seine Stimme geben. Daran kann auch Walsmanns prominente Unterstützerin nichts ändern. Monika Hohlmeier würde ihre „Freundin Marion“ gerne als Kollegin begrüßen. Hohlmeier ist langjährige bayerische Europaabgeordnete. Wenn sie ihren Geburtsnamen nicht abgelegt hätte, wäre allein der wohl schon Programm. Hohlmeier ist die Tochter der CSU-Ikone Franz Josef Strauß. Doch auch ihr gelingt es nicht, den verärgerten Handwerker zu überzeugen. „Sie brauchen alle richtig einen auf den Deckel“, wettert er und geht. Nach einer Dreiviertelstunde hat Walsmann mehr als ein Dutzend Menschen angesprochen. Viele sind verblüfft, manche desinteressiert, andere aufgeschlossen. Es ist mühsam. Warum tut sie sich das an?

Euro-Sicherung, Klimaschutz, Stärkung der heimischen Wirtschaft

Weil die gebürtige Erfurterin überzeugte Europäerin ist. Und sich alles so ergeben hat. Im Dezember 2018, Walsmann ist zu der Zeit auch Mitglied im EU-Ausschuss der Regionen, gibt sie ihr Landtagsmandat freiwillig ab. Zuvor hat sie der Landesvorstand als Nachfolgerin von Dieter-L. Koch nominiert. Angenehmer Nebeneffekt: Ihr Mandatsverzicht hilft Partei- und Fraktionschef Mike Mohring, der verzweifelt nach einer mehrheitsfähigen Landtagspräsidentin sucht. Die nachrückende Birgit Diezel kommt wie gerufen. Zuvor schon hat Walsmann eine beachtliche Parteikarriere hingelegt. Die Diplomjuristin, die einst für die Block-CDU in der DDR-Volkskammer saß, baut das freistaatliche Justizministerium mit auf, führt seit 1995 die Erfurter CDU, wird 2004 ­Landtagsabgeordnete und gehört 2008 bis 2013 der Regierung an, zunächst als Justiz-, dann als Finanz- und später als Staatskanzlei- und Europaministerin.

Seit Januar wahlkämpft sich die 56-jährige verheiratete Mutter von zwei Kindern jetzt quer durchs Land. Mehr als 200 Termine hat sie absolviert. Es geht ihr um die Euro-Sicherung, den Klimaschutz, die Stärkung der heimischen Wirtschaft.

Und wie stehen die Chancen, am 26. Mai gewählt zu werden? Pi mal Daumen 200.000 bis 220.000 Stimmen braucht sie. Die CDU ist die einzige Partei in Thüringen, die mit einer Landesliste antritt. Die Wahlbeteiligung wird entscheidend sein. Sie kandidiere „ohne Netz und doppelten Boden“. „Wenn es nicht klappt, werde ich in meinen vor 15 Jahren ausgeübten Beruf zurückkehren“, sagt Walsmann. Damals war sie Vize-Abteilungsleiterin im Justizministerium.